Europa unterläßt Hilfe

■ EU-Parlamentarier fordern Mißtrauensantrag gegen die EU-Kommission, weil sie sich nicht um Atomtests kümmerte

Berlin (taz) – Europas VolksvertreterInnen sind stinkend sauer. Ihr Vorwurf: Wenn die französische Regierung mit ihren Atomtests die Euratom-Verträge verletzt, dann schaue die Kommission einfach weg. Daß EU-Kommissionspräsident Jacques Santer sich persönlich als Gegner der zivilen und militärischen Nutzung des Atoms outete, konnte die Abgeordneten am Tag nach dem Test auch nicht milder stimmen.

Sozialisten und Grüne wollen nun mit einem Mißtrauensantrag gegen die Kommission ihrer Einschätzung Nachdruck verleihen, daß die Kommission die Einhaltung der Verträge schützen müsse. Für das Einbringen eines solchen Antrages müssen 62 der 626 Europa-Abgeordneten unterschreiben. Zum Erfolg bräuchte der Antrag dann allerdings eine Zweidrittelmehrheit, die unwahrscheinlich scheint. Hintergrund der Auseinandersetzung ist der Paragraph 34 des Euratom-Vertrages. Der sieht vor, daß Frankreich vor einem Test bei der EU-Kommission eine Stellungnahme zum Gesundheitsschutz der EU-BürgerInnen einholen müßte. Falls beim dem Test benachbarte Staaten, in diesem Fall die britischen Pitcairn Inseln (800 Kilometer von Moruroa) beeinträchtigt werden könnten, bedürfte es sogar einer Zustimmung der Kommission.

Unbekümmert von dieser Rechtslage stellte sich Kommissionspräsident Santer am Mittwoch auf den Standpunkt, daß eine Genehmigung des Tests eben nicht in seiner Kompetenz liege. Santer vergaß nicht, darauf hinzuweisen, daß bei 134 französischen Atomtests vorher die Kommission nicht ein einziges Mal tätig geworden sei – nicht einmal, als die Rainbow Warrior I in Neuseeland versenkt wurde und dabei ein Mensch ums Leben kam. Damals war der französische Sozialist Jacques Delors Präsident der EU-Kommission und der französische Sozialist François Mitterrand Frankreichs Präsident.

Wäre es nach den anderen EU- Regierungen gegangen, wäre die Frage der Gesetzmäßigkeit der französischen Tests auch diesmal überhaupt nicht aufs Tapet gekommen. Doch nach der Ankündigung Chiracs, daß Frankreich die Tests auf Moruroa wieder aufnehmen wolle, hatten Juristen des Darmstädter Öko-Instituts und der Universität Frankfurt am Main ein Gutachten über die rechtlichen Möglichkeiten der Kommission erstellt. ten