Alle unter Chiracs Schutz und Schirm

■ Frankreichs Premier Juppé bietet der Bundesregierung an, den „atomaren Schutzschild“ auszudehnen. In der CDU regt sich Zustimmung. SPD will „in Ruhe diskutieren“. FDP und Bündnisgrüne wittern Ablenkungsmanöver

Paris/Bonn (AFP/taz) – Frankreich will seinen „atomaren Schutzschild“ auf Deutschland ausdehnen. Einen Tag nach dem weltweit kritisierten Atomtest auf Moruroa erklärte der französische Premierminister Alain Juppé in einer Grundsatzrede zur französischen Verteidigungspolitik, die „konzertierte Abschreckung“ von der Force de frappe müsse auch „die Sicherheit Deutschlands garantieren“.

Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) äußerte sich zurückhaltend. Eine europäische Regierung stehe „noch nicht vor der Haustür“, so Rühe. Außenminister Klaus Kinkel nannte den Vorschlag lediglich „interessant“ und wollte darüber „nachdenken“. Der abrüstungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Friedbert Pflüger, begrüßte den Vorschlag Juppés als „Anfang einer notwendigen Debatte“. Sprecher der SPD, aber auch der FDP, sehen in dem Vorstoß lediglich ein „Ablenkungsmanöver“. Der FDP-Abgeordnete Ulrich Irmer vermutete, Frankreich wolle so die deutsche Kritik an seiner Atompolitik eindämmen. Norbert Gansel (SPD) witterte ein „Manöver, um sich erst einmal Luft zu verschaffen“. Das Ganze, so Gansel, könne irgendwann in Ruhe diskutiert werden, „aber nicht jetzt“.

Hinter den Kulissen ist das Thema schon länger virulent. Vor allem von französischer Seite ist in den letzten Jahren mehrfach über die Bombe für die Europäische Union oder eine engere deutsch-französische Kooperation geredet worden. Präsident Mitterrand hatte bereits 1992 prognostiziert, daß die Force de frappe „sehr bald zur wichtigsten Frage einer europäischen Verteidigungspolitik“ werden würde. Und auch Alain Juppé benutzte bereits Anfang des Jahres, damals noch als Außenminister unter Mitterrand, die Formel von der „konzertierten Abschreckung“, um die „Notwendigkeit eines Dialogs zwischen zwei gleichen Partnern in einem Bereich, der ihre künftige Existenz betrifft“, zu unterstreichen. Im August sprach Präsident Chirac davon, französische Atomwaffen in eine europäische Verteidigung einzubringen. Bisher hatte die US-amerikanische Nuklearversicherung in der deutschen Außenpolitik immer absolute Priorität. Das könnte sich ändern, wenn der amerikanische Rückzug aus Europa anhält und die französische Regierung Bonn – vermittelt über europäische Institutionen – ein tatsächliches Mitverfügungsrecht an den Atomwaffen in Aussicht stellt.

Die Bündnisgrünen reagierten gestern jedenfalls höchst alarmiert und forderten die Bundesregierung auf, „unmißverständlich zu erklären, daß Europa keine Atombomben braucht, und sie unter keinen Umständen bereit ist, die Politik der Eurobombe mitzutragen“. JG