Freigesprochen

■ Straßenmaler profitierte von Gesetzänderung Straßenordnung

Eigentlich war er überflüssig, der Prozeß gegen Arne W. diese Woche. Denn den Vorwurf, er habe eine Ordnungswidrigkeit begangen, konnten weder die Richterin noch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft aufrecht erhalten. Rechtsanwalt Martin Stucke bewies den Beiden mit eigens kopierten Gesetzestexten, daß die Arne W. vorgeworfene Ordnungswidrigkeit seit Oktober 94 nicht mehr als Ordnungswidrigkeit gilt.

Arne W. hatte im Mai 94 in der Sögestraße mit breiten Lettern einen Satz auf die Pflastersteine vor einem Reisebüro geschrieben: „Kein Urlaub im Kriegsland Türkei“. Gegen den Bußgeldbescheid wegen Ordnungswidrigkeit in Höhe von 200 Mark legte der 24jährige Arne W. sofort Widerspruch ein.

Grundlage für den Vorwurf „Ordnungswidrigkeit“ war in Bremen bislang der § 29 in der Bremer Straßenordnung: Danach dürfen Sachen und Einrichtungen, die für alle Menschen zugänglich sind, nicht zweckentfremdet werden.

Im Oktober 94 aber wurde dieser recht allgemein gehaltene Paragraph geändert und in einen neuen, sehr konkreten neuen Paragraphen gefaßt: Seitdem ist es verboten, auf der Straße zu betteln, zu musizieren oder Betäubungsmittel zu konsumieren. Anlaß für die Änderung waren trinkende Obdachlose unter den Rathausarkaden.

Über das Bemalen von Straßen allerdings sagt der neue Paragraph in der Bremer Straßenordnung nichts aus. Wenn also jemand wie Arne W. die Straße mit einem Spruch verziert, kann kein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren eingeleitet werden.

Gegen diese Art der Meinungsäußerung kann nun zwar nicht mehr strafrechtlich vorgegangen werden, allerdings nach wie vor zivilrechtlich. Mit anderen Worten: Es kann auf Schadensersatz wegen Sachbeschädigung geklagt werden. Solch eine Klage lag im Fall von Arne W. aber nicht vor. Die Richterin machte also kurzen Prozeß – nachdem der Anwalt sie über die neue Gesetzeslage informiert hatte – und sprach Arne W. frei.

Zwar lag seine Tat zeitlich vor der Gesetzesänderung - doch ändert sich ein Gesetz zugunsten des Angeklagten, wird sein Vergehen dann nach dem neuen Recht beurteilt. ab