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Kampftrinken für die Muse

■ Bei Schnapsdrosseln zuhaus: "Phantasien im Ratskeller", ganz frei nach Wilhelm Hauff

Der Kellermeister – krummer Rücken, rote Nase – ging schon mal im Publikum herum, pflückte hier jemandem ein Staubkorn vom Jackett, mischte sich dort in ein Gespräch ein: Ein Versuch, die nicht ganz ausverkauften Sitzreihen in der Unteren Rathaushalle ins launige Geschehen auf der Bühne zu integrieren. Vorangegangen war ein höflicher Angriff auf die nüchterne Urteilskraft des geschätzten Premierenpublikums, das sich zur Neuauflage der „Phantasien im Ratskeller“ eingefunden hatte: Im Foyer kredenzten historisch ausstaffierte Damen Rebensaft gegen klingende Münze. Auch im Sinne der Angleichung der Promille-Verhältnisse von Ensemble und ZuschauerInnen. Wir wohnen einem Stück bei, „das mit der Version des vergangenen Jahres lediglich die Hauffsche Novelle als Grundlage hat“, wie der Veranstalter mitteilt. Zwischen den Zeilen von Hans-August Kruse von der Gesellschafft (sic!) für Kulturmanagement steht: Keine Angst, diesmal wird's kein Flop, alles ist anders!

Im Mittelpunkt des Neuaufgusses des Bremer Autors und Regisseurs Mathias Siebert steht der Alkohol. Der junge Dichter Wilhelm Hauff läßt sich im Weinkeller einschließen, es gilt, den Liebeskummer zu ertränken. Von Geistern läßt er sich nicht schrecken, doch der Trunk gebiert Ungeheuer. Bacchus, bislang reglos goldglänzend auf dem Faß drapiert, nimmt Haltung an, als die Weingeister um Mitternacht aus den Fässern kriechen.

Dito die Rose vom Rhein, die fesche Blondine mit dem fatalen Hang zur Flasche. Den sie mit ihren Weingeist-Kollegen teilt. Apostel nennen sie sich, die Geister mit dem Benehmen einer handfesten schlagenden Verbindung und dem Look aus dem Fundus diverser Fantasy-Filme. Die Flaschen klirren, Fäuste knallen, Sauflieder tönen aus geschwellter Geisterbrust – „ogzapft is“. Und der Dichter träumt dazu.

Bei 2,5 Promille schneit auch noch der Bremer Roland rein. Arrogant und siegessicher. Ob man denn noch von seinen Ruhmestaten spreche - sein Schwert ließ schließlich Legionen ins Gras beißen. Aber den Ritter wollen die Geister nicht haben: viel zu „ßteif“.

Der Kritiker wunderte sich erst über das Gejohle und Radiogedudel, das er mit einem Ohr gezwungen war mitanzuhören. War es Ausdruck des vom Veranstalter erwünschten „Spannungsverhältnisses zwischen Historischem und Heutigem“? Als die Straßenbahn rhythmisch in die Geräuschkulisse fuhr, wußte er: Es war schnöde Wirklichkeit, die die Weingeister auf der bescheiden ausgestatteten Bühne übertönten – besonders bei den Musicaleinlagen. Da war es plötzlich, das Spannungsverhältnis. Zwischen Kostümen von 1830 und Klängen von 1970.

Dann ist der Restalkohol in des Dichters Gehirn abgebaut, Ruhe nach dem Sturm. Hauff sucht das Weite, der Kellermeister einen Nachfolger für sich im Publikum. Langer Applaus von den vielleicht 120 BesucherInnen der Rathaushalle, unter denen sich auch ein Tourist befunden haben mag. Prima leicht verdauliche, einstündige Kost – ideal für zwischendurch. Angereichert u.a. vom Senator für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Europaangelegenheiten, der Sparkasse, der Maritim Hotelgesellschaft, Beck & Co., Kraft Jacobs Suchard, dem Bremer Ratskeller sowie dem Verkehrsverein. Was soll da künstlerisch noch schiefgehen? Eben. Gehn wir noch was essen? Alexander Musik

Nächste Aufführungen: 9.9., 20 Uhr; 10.9., 11 und 20 Uhr

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