Ekstase aus dem Kräutergarten

■ „Herbal-Ecstasy“ wird als Bio-Droge ohne Nebenwirkungen angepriesen, die meisten Raver verlassen sich jedoch auf den synthetischen Kick. Die Behörden verordnen Abstinenz

Die perfekte Droge scheint gefunden: In Anzeigen und Artikeln einschlägiger Club-Magazine wird seit einiger Zeit „bewußtseinserweiternde Euphorie“ frei käuflich angeboten. Die Tabletten seien aus „rein pflanzlichen Stoffen“ zusammengesetzt – regelrecht gesund soll der Spaß sein, Nebenwirkungen oder gar Abhängigkeiten seien natürlich nicht zu befürchten.

Leider handelt es sich bei diesen Preisungen um eine Halluzination. Zunächst einmal ist Herbal-Ecstasy in Deutschland nicht völlig frei zu beziehen, denn einige der Substanzen fallen hier unter das Apothekengesetz. Außerdem ist bei den „Kräuterdrogen“ die tatsächliche Zusammensetzung der Tabletten unklar, und auch pflanzliche Extrakte sind nicht frei von gesundheitlichen Nebenwirkungen. Zudem scheint die Wirkung nicht zu halten, was der Vertreiber verspricht. Pia, vom Club- und Veranstaltungsheft flyer, beschreibt ihre Erfahrungen mit Herbal-Ecstasy folgendermaßen: „Heftige Hitzewallungen, schweißnasse Hände und ein starkes Gefühl von Desorientierung... Es tut sich der Verdacht auf, daß hier jemand mit schlechter Ware ein gutes Geschäft machen will.“

Für Hans Cousto von Eve & Rave, die in den Clubs aufklärerische, akzeptierende Drogenarbeit leisten, hat das Auftauchen von Herbal-Ecstasy noch eine weitere Dimension jenseits von „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. Herbal-Ecstasy stifte zusätzliche „Unruhe“ in der Szene, weil für den Konsumenten nicht nachvollziehbar sei, welche Substanzen sich im synthetischen Ecstasy verbergen.

„UFOs“, „Prinzen“, „Snowboards“, oder auch „achteckige Elefanten“ lauten die Namen für bestimmte Ecstasy-Trips. In Holland dürfen die Inhaltsstoffe solcher Tabletten in den Clubs getestet werden. In Deutschland wird schon allein der Ansatz von Eve & Rave, Broschüren über einen sichereren Gebrauch der „klassischen Clubdrogen“, Ecstasy, Speed, LSD und Kokain zu verteilen, von den Behörden mißtrauisch beäugt. Abstinenz heißt die staatlich verordnete Utopie.

Eine Haltung, um die sich die Berliner RaverInnen herzlich wenig scheren. Der zwanzigjährige Martin aus der Berliner Clubszene: „Achtzig Prozent aller Leute, die nach drei Uhr in den Techno-Läden sind, haben Drogen genommen“, schätzt er. Das wären pro Wochenende immerhin mehrere tausend Personen. Eine Zahl, die auch Eve & Rave für realistisch hält. Gegen Ecstasy ist die Polizei hilflos. Statt dessen wird von den Behörden die „enorme Gefahr“ des Ecstasy-Konsums beschworen. Regelmäßig über einen längeren Zeitraum eingenommen macht Ecstasy psychisch abhängig. Umstritten sind jedoch vor allem die Auswirkungen der Droge auf den Körper. Georg Samulowski vom Rauschgiftdezernat des LKA ist davon überzeugt, daß selbst der gelegentliche „Monokonsum“ von Ecstasy „gesundheitlich sehr gefährlich und lebensbedrohlich ist“. Im Gegensatz dazu stehen Schätzungen der Londoner Drogenberatungsstelle „Lifeline“, die davon ausgehen, daß in Großbritannien pro Monat vier Millionen Ecstasies genommen werden. Demgegenüber stehen 12 mit Ecstasy assoziierte Todesfälle pro Jahr. Auch in Berlin gab es vor einigen Wochen großen Wirbel um den ersten Toten, der nach Einnahme von Ecstasy, aber unter anderem an einer Krankheit gestorben war.

Eve & Rave setzt auf Aufklärung. Die Gefahr von Drogenkonsum auf Parties liege vor allem im „unkontrollierten Mischkonsum“. Je mehr die Clubgänger wissen, was sie nehmen und welche Folgen der Konsum haben kann, desto verantwortungsvoller können sie mit ihrem Drogenkonsum umgehen, lautet der Grundsatz bei Eve & Rave. Heike Blümner