Zwischen allen Stühlen

■ Rollheimer vom Potsdamer Platz gerieten wegen Stellplatz in einen alten Streit zwischen Kirche und Bezirksamt Neukölln

Die Rollheimer vom Potsdamer Platz können aufatmen, allerdings nur vorübergehend: Der Bezirk Neukölln hat in letzter Minute entschieden, daß die mobile Gemeinschaft aus dreißig Erwachsenen und zehn Kindern bis zum 31. März kommenden Jahres auf dem Grundstück der Sankt-Jacobi-Gemeinde in der Neuköllner Oderstraße 6 „geduldet“ wird. Das teilte Bodo Manegold (CDU), Baustadtrat von Neukölln, am Freitag mit.

Ein sicheres Zuhause haben die Rollheimer dadurch allerdings immer noch nicht. Dabei könnte alles so einfach sein: Die Kreuzberger Sankt-Jacobi-Gemeinde hat den Rollheimern vom Potsdamer Platz, die dort aufgrund der beginnenden Bauarbeiten nicht mehr bleiben können, das Grundstück in Neukölln zum Bezug angeboten. Der Umzugstermin wurde bereits auf den kommenden Montag festgelegt. Dann stellte sich der Bezirk Neukölln plötzlich quer. Mit „rechtsgültigen Bebauungsplänen“ wird gegen den dauerhaften Umzug der Rollheimer in die Oderstraße argumentiert. Werner Hampf, Streetworker der Arbeiterwohlfahrt, vermutet hinter der Blockierung durch den Bezirk allerdings „puren Wahlkampf auf Kosten der Rollheimer“.

Doch nicht nur der Wahlkampf macht das Thema so brisant. Die Rollheimer sind mitten in einen alten Streit zwischen Kirche und Bezirk geraten, in dem die aktuellen Ereignisse lediglich einen weiteren Höhepunkt in der Streitchronik über die Nutzung des Grundstückes Oderstraße 6 bilden: Die große Freifläche verbindet die Hermannstraße mit der Oderstraße und wird teilweise als Friedhof genutzt. Die Bebauung eines Teils des Grundstücks mit 300 Wohnungen, die die Kirche plante, wurde vom Bezirk abgelehnt. Es kam zum Rechtsstreit durch mehrere Instanzen, den die Kirche verlor. Seitdem sieht der Bebauungsplan eine Nutzung des Grundstücks als Grünfläche vor.

Nach den Vorstellungen des Bezirks würde die Nutzung des Grundstücks durch die Rollheimer gegen den Bebauungsplan verstoßen. „Völliger Unsinn“, sagt Streetworker Hampf. „Die Wohnwagen versiegeln nicht den Boden, die Bäume bleiben stehen, und außerdem würden die Rollheimer die Grünfläche hegen und pflegen.“

Baustadtrat Manegold ist jedoch davon überzeugt, daß die Kirche die Rollheimer für ihre Interessen instrumentalisiert: „Durch die Hintertür soll hier doch noch der Bau von 300 Wohnungen erzwungen werden“, sagte Manegold. Er betonte, daß es sich bei der Entscheidung definitiv um eine Übergangslösung handele. Er wolle sich als Mitglied des Aufsichtsrates des Planungsausschusses „Stadt und Land“ persönlich dafür einsetzen, daß ein alternatives Grundstück gefunden werde.

Werner Hampf hält die Lösung, die Rollheimer bis zum Frühjahr in Neukölln anzusiedeln, für „sinnvoll“. Prinzipiell müßten sich alle Beteiligten jedoch zusammensetzen und nach grundsätzlichen Lösungen suchen. Heike Blümner