: Der Chef muß zur Schule
Neue Ideen im Betrieb? Altmodische ManagerInnen vernachlässigen die Weiterbildung. Für das Unternehmen von unten! Ein Traktat ■ von Harald Fix
Deutsche ManagerInnen behaupten, die hohen Personalkosten hätten sie in die Krise gestürzt. Weit gefehlt! Sie haben sich die Schwierigkeiten selbst zuzuschreiben. Das Management steckt in der Krise, es ist veraltet, neue Entwicklungen hat es verpaßt. Daher kommt der Mangel an modernen Produkten, das ist die Ursache der roten Zahlen.
Die alten Konzepte haben ausgedient. In der gegenwärtigen Krise fehlen Innovationen. Und die lassen sich nicht durch Anachronismen ersetzen. Waren deutsche Unternehmen während der 70er Jahre noch in vielen Bereichen führend, haben sie die 80er Jahre verschlafen. Viele werden bis zur Jahrtausendwende weiterträumen. Kommt zwischendurch ein unangenehmes Alpdrücken, so versichern sich die Führungskräfte gegenseitig, Personalkosten und MitarbeiterInnen seien die Ursachen. Diese verkrusteten Strukturen wollen wir aufbrechen!
Die Innovationskrise äußert sich sowohl im technologischen wie auch im organisatorischen Bereich. Zum einen fehlen innovative Produktentwicklungen. Wo sie begonnen haben, nutzt man sie nicht richtig. Wichtige Zukunftstechnologien – etwa in den Bereichen Information und Kommunikation – sind verloren. Waren in deren Pionierzeiten europäische WissenschaftlerInnen wie Konrad Zuse und Alan Turing wegweisend, hinken jetzt die deutschen Unternehmen ihrer US-amerikanischen und japanischen Konkurrenz hinterher.
Zweitens sind viele Betriebe im Innern veraltet. Es fehlt an moderner Arbeitsorganisation. Verkleisterte traditionell-hierarchische Strukturen stellen ein Bollwerk rückwärts gerichteter Selbstverzückung dar. Der deutsche Durchschnittsmanager sieht sich selbst als Herr der Lage. Tatsächlich ist er Herr der Schieflage. Er genießt seine Macht, verherrlicht sich selbst und bestraft seine Untergebenen. Kritik und Verbesserungsvorschläge abwehrend, legt er eine geringe Veränderungsbereitschaft an den Tag. Innovationen sind jedoch ohne Veränderungen nicht machbar.
Den Unternehmen fehlt es an Teamentwicklung und an Entfaltungsmöglichkeit für die Potentiale der MitarbeiterInnen. Es herrschen Anweisungen von oben statt Mitarbeit von unten. Die Beschäftigten nehmen an Prozessen zur Problemlösung nicht teil. Sie werden eher als AusführungsgehilfInnen angesehen. Nur so betrachtet erscheinen die Klagen deutscher ManagerInnen verständlich: Für bloße GehilfInnen sind die Gehälter tatsächlich verschwendet.
Aber auch dort, wo man Personalentwicklung betreibt, liegt vieles im argen. Die meisten Unternehmen vernachlässigen die betriebliche Weiterbildung oder ignorieren sie gar völlig. Die Personalentwicklung muß eingebettet sein in ein allgemeines Konzept der Unternehmenskultur. Solche Konzepte fehlen aber meist oder liegen ungenutzt in den Schubladen.
Moderne Trainings machen nur fünf Prozent der Bildungsmaßnahmen aus. Es herrschen stellenferne Weiterbildung und Frontalunterricht. Die DozentInnen übernehmen nach wie vor die Rolle des berieselnden Fernsehers. Da nimmt es nicht Wunder, daß am Arbeitsplatz die alten Fehler fröhliche Urständ feiern.
Ganz schlimm: Betriebe geben vor, Innovation zu betreiben, beschränken sich aber auf Pseudo- Neuerungen. Lean-Management (siehe Lexikon) verkommt so zum Synonym für Stellenabbau. Bei der Zertifizierung nach ISO 9000ff steht im Mittelpunkt, die Plakette zu bekommen. Die Umstrukturierung des Unternehmens ist dagegen nur eine lästige Begleiterscheinung.
„Kaizen“ reduzieren manche ManagerInnen auf den neuen Briefkasten, in dem die Beschäftigten ihre Verbesserungsvorschläge versenken dürfen, ohne daß die Anregungen jemals umgesetzt würden. Die einzige Konstante ist der Wandel – dieses Schlagwort gilt es ernst zu nehmen.
Um einen Ausweg aus der Krise zu finden, müssen sich die Firmen von Produktions- zu Dienstleistungsunternehmen weiterentwickeln. Alles kommt dabei auf die Nähe zu den KundInnen und Märkten an. Die interne Weiterbildung muß wieder ins Zentrum der Unternehmensstrategie rücken, Personalentwicklung endlich als gewinnbringende Investition erkannt statt als Kostenfaktor mißverstanden werden.
Den Führungskräften sollte daran liegen, ihre Beschäftigten zu emanzipieren – und zwar nicht nur in unbedeutenden Detailfragen: „Wo würden Sie den Blumentopf hinstellen, Herr Maier?“ Kompetente SpezialistInnen sind diejenigen, die die Arbeit täglich erledigen, nicht deren Vorgesetzte. Es ist an der Zeit, die SpezialistInnen anzuhören und einzubeziehen.
Das Gold liegt in den Köpfen der MitarbeiterInnen! Personalentwicklung ist immer auch Persönlichkeitsentwicklung. Nach Spitzenleistungen strebende Unternehmen brauchen selbstbewußte und unabhängige MitarbeiterInnen, die in einer Atmosphäre der Experimentierfreude neue Wege gehen. Fehler muß man akzeptieren, denn bekanntlich machen Fehler klug. Altmodische Lehrmethoden gilt es gegen solche auszutauschen, die erwachsenengerecht und lernpsychologisch wirksam sind. Moderne Weiterbildung stellt die TeilnehmerInnen und ihre Handlungen in den Mittelpunkt und beschränkt sich nicht auf die althergebrachte Informationsvermittlung aus Lehrbüchern.
Die ChefInnen der neuen Unternehmen schließlich verstehen sich nicht als Spitze der Hierarchie- Pyramide, sondern als PartnerInnen ihrer Belegschaft. Sie fällen Entscheidungen im Team, unterstützen konstruktive Kritik, bringen eine hohe Veränderungsbereitschaft mit und unterbreiten Vorschläge, statt Befehle zu erteilen. Sie fördern ihre MitarbeiterInnen darin, eigenverantwortlich Probleme zu lösen.
Jeder Innovationsansatz ist zum Scheitern verurteilt, wenn nicht eine neue Führungskultur geschaffen wird. Es muß ein Umdenken der Manager stattfinden. Der alte Satz „la firme c'est moi“ gilt nicht mehr. Die MitarbeiterInnen müssen im Mittelpunkt des Unternehmens stehen. Führung auf dem Rücken der MitarbeiterInnen ist nicht nur unethisch, sondern sie verbaut auch die Zukunft des gesamten Unternehmens. Das moderne Unternehmen ist ein Unternehmen von unten! Führen heißt dienen!
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