Keiner will Öko-Soziologen

Sichere Jobs in Umweltberufen? Umgeschulte AkademikerInnen finden oft keine Arbeit. Chancen haben handverlesene NaturwissenschaftlerInnen. Marktlücke: sanfte Produktion  ■ Von Christian Arns

Viele StudentInnen wissen es während ihres Studiums längst: Arbeit werden sie in ihrem Fachgebiet nicht finden. „Dennoch wollen die meisten nahe bei ihrer Profession bleiben, die haben ja nicht zwölf Semester zum Spaß studiert“, beschreibt Jochen Reusch den Sinn von Fortbildungen. Der Vertriebsleiter des Bereichs Qualifizierungsprogramme beim Frankfurter Konzern Siemens-Nixdorf glaubt, daß der Umweltschutz nach wie vor Arbeitsplätze für AkademikerInnen schafft. Das Unternehmen bietet daher Umschulungen an, die von den Arbeitsämtern finanziert werden. Dort gibt es jedoch auch Skepsis. „Der Arbeitsmarkt im ökologischen Bereich hat sich längst nicht so entwickelt, wie es von vielen erwartet worden ist“, sagt Lutz Kothe, Referent für Fortbildung und Umschulung beim Landesarbeitsamt Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Gerade in den neuen Ländern habe man einen Boom erwartet. In den ersten beiden Jahren der deutschen Einheit seien zahllose AkademikerInnen zu „ExpertInnen für Umweltschutz“ oder „UmweltreferentInnen“ fortgebildet worden. Viele von ihnen haben bis heute keine Arbeit. Für Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen zum Beispiel gebe es kaum Einsatzmöglichkeiten, „ein paar vielleicht im Umwelt-Management“.

Dennoch hält Detlef Schneider den Umweltschutz für einen Bereich, „der überhaupt noch gewisse Wachstumsmöglichkeiten bietet“. Der stellvertretende Leiter der Abteilung Arbeitsvermittlung beim Marburger Arbeitsamt nennt als Beispiel die neue Fortbildung zu „AnwendungsberaterInnen für EDV und Management im Umweltschutz“, in dem „NaturwissenschaftlerInnen und TechnikerInnen fit gemacht werden“. Dabei erfahren die ohnehin hochqualifizierten TeilnehmerInnen nicht nur, wie Abfall vermieden, verwertet oder wenigstens sinnvoll entsorgt werden kann, sie erlernen auch innerbetriebliches Umweltmanagement. Die Teilnahmegebühr für den zwölfmonatigen Kurs eines privaten Trägers übernimmt das Arbeitsamt. Um die späteren AbsolventInnen macht Schneider sich keine Sorgen. Das sind schließlich nur 20.

Auch in Hessens größter Stadt, in Frankfurt, nehmen an der Fortbildung zum „Experten für Umwelttechnik“ nur 32 handverlesene IngenieurInnen und NaturwissenschaftlerInnen teil. Dafür geht das Arbeitsamt der Mainmetropole davon aus, „daß die Maßnahme nicht ins Leere läuft“, wie Sachbearbeiterin Susanne Schrader betont. Träger des Kurses ist Siemens-Nixdorf. Mitarbeiter Jochen Reusch: „Wir gehen davon aus, daß ein halbes Jahr nach der Maßnahme etwa 80 Prozent der Absolventen eine feste Arbeit gefunden haben.“ Diese guten Chancen hätten Umweltschutz-ExpertInnen erst, seitdem die Auflagen für Unternehmen hochgesetzt worden seien: „Lange Zeit hatte Umweltschutz nur eine Feigenblatt-Funktion. Früher wurden abgehalfterte SicherheitsingenieurInnen zu Umweltbeauftragten gemacht, jetzt brauchen Unternehmen und auch Kommunen echtes ExpertInnenwissen.“ Allerdings sei der Bereich noch immer stark konjunkturabhängig, da dort sehr früh gekürzt werde: „Kein Geld, kein Umweltschutz.“

Dennoch erscheint der Bereich gerade für arbeitslose NaturwissenschaftlerInnen als rettender Strohhalm: Sie waren 1994 wie bereits in den Jahren davor „auf dem Arbeitsmarkt nur wenig gefragt“, so die nüchterne Beobachtung. Die Arbeitsmarkt-Informationsstelle der Bundesanstalt für Arbeit hat jedoch festgestellt, daß „Zusatzkenntnisse im Umweltschutz förderlich“ waren.

BiologInnen konnten vorwiegend in diesen Bereich vermittelt werden. Auch für NaturwissenschaftlerInnen in den neuen Bundesländern stellte die Informationsstelle fest: „Kenntnisse in der Analytik, im Umwelt-und Verwaltungsrecht, in der Altlastsanierung und in der Deponietechnik waren wichtig.“

Ein großes Arbeitsfeld sieht Thüringens Fortbildungsreferent Lutz Kothe weniger in der Zusatztechnik, etwa dem Bau von Filteranlagen, als vielmehr in der umweltfreundlicheren Herstellung. IngenieurInnen und IngenieurwissenschaftlerInnen hätten sich lange Zeit kein bißchen damit beschäftigt, wie ein Produkt bei seiner Fertigung, während der Nutzung und danach die Umwelt möglichst wenig belaste. Wer sich damit beschäftige, habe also relativ gute Chancen, zum Beispiel bei Maschinenbaubetrieben unterzukommen.