■ Greenpeace und die Angst vor der Wirklichkeit
: Das gezähmte Automobil

Darf eine Umweltorganisation ein eigenes Auto bauen, aus dem hinten kein Lavendelduft rauskommt, sondern richtiger Dreck, ein Auto, das Lärm macht, hupt, stinkt, Omas von der Straße scheucht? Darf eine Umweltorganisation zu den weltweit 500 Millionen Karossen, an denen der Planet verröchelt, noch ein grünlackiertes dazustellen? Gute Frage.

Und die Antwort? Auf der gestrigen Präsentation des Greenpeace-Autos „Gringo“ war trotz gewohnter Professionalität vor allem eines spürbar: Die Regenbogenkämpfer haben Angst vor der eigenen Courage. Sie präsentieren ein selbstgebautes Drei-Liter- Auto und erklären, daß die Drei-Liter-Diskussion doch nur eine Finte der Autoindustrie ist. Sie enthüllen ein todchices Ökomobil und verkünden, daß man den Umweltfeind Nummer eins, das Auto, nicht durch ein Ökomobil reinwaschen wolle. Sie bauen ein Auto und versichern mit treuem Dackelblick, daß sie deswegen noch lange keine Autobauer seien. Ach Greenpeace, warum so kleinmütig!?

Der „Gringo“ ist genau die richtige Provokation für die PS-Zunft. Da in diesem und im nächsten Jahrhundert nicht an die Abschaffung des Automobils zu denken ist, bleibt auch hehren Umweltkämpfern nichts übrig, als sich den Realitäten zu stellen. Wer sich nicht dauerhaft im Ghetto der reinen Lehre verschanzen will, dem wird auf Dauer nichts übrigbleiben, als das Auto zu zähmen. Kleiner, freundlicher, sparsamer, langsamer. Daß einige Journalisten spontane Bereitschaft bekundeten, sich die „geile Kiste“ sofort zu kaufen, zeigt, daß der Greenpeace-Prototyp auch die ästhetischen und libidinösen Wünsche erfüllt.

Jetzt sollten die Umweltkämpfer allerdings nicht auf halbem Weg schlappmachen, sondern eiskalt ihre Kühlschrank-Kampagne wiederholen. Also: Sobald der Testlauf auf dem Prüfstand beendet ist, heißt es hurtig 100.000 Bestellungen für das Ökomobil sammeln und einen Hersteller suchen, der die Kiste auch tatsächlich baut. Bei der anhaltenden Krise der Branche und dem lockendem Millionengeschäft wird man diesen Hersteller finden.

Es wäre der endgültige Coup für Greenpeace. Aber so weit, so steht zu befürchten, wagen sich auch die unerschrockensten Regenbogenkämpfer nicht vor. Herr Piäch würde in den Airbag beißen, wenn etwa Renault den Zuschlag für den „Gringo“ bekäme. Und der Franzos' könnte endlich was anderes testen als Atombomben. Manfred Kriener