■ Ökolumne
: Böse Hiebe Von Reiner Metzger

Das ganze Jahr über stieg die Popularität von Greenpeace, da mußte der Fall natürlich um so tiefer kommen. Das große Nachtreten in den Medien begann diese Woche mit einem Meßfehler. 5.500 Tonnen Ölschlamm befänden sich noch in den Tanks der Ölinsel Brent Spar, hatte Greenpeace nach eiligen Probenahmen berechnet. Wie sich jetzt herausstellte, ist kaum Öl in der Plattform. Unbestritten bleibt jedoch der eigentliche Grund der Kampagne: die über hundert Tonnen Gift, die nach einem Gutachten der Shell noch an Bord sind. Doch das ist egal, die Treibjagd auf die Umweltschützer ist eröffnet, und sie geht nicht nur in den erwarteten Bahnen ab.

Kurt Stenzel, Chefredakteur Fernsehen beim Süddeutschen Rundfunk Stuttgart sprach in einem Kommentar für die „Tagesthemen“ plötzlich von einer „Öffentlichkeit, die in Umweltfragen oft sogar hysterisch ist“, und daher Greenpeace glaube und nicht Shell. Da käme dann vieles zusammen: „Mißtrauen in die Industrie, eine maßlose Zivilisationskritik und eine geschickt inszenierte Medienkampagne.“ Das sagt ein Mann, der zu den wenigen gehört, die in diesem Land entscheiden, welche Beiträge in Fernsehnachrichten gesendet werden und welche nicht, einer der wenigen also, die für irgendwelche Kampagnen in den Medien verantwortlich wären. Hat der Stenzel einen Greenpeace-Empfänger im Hirn, der ihm sagt, was zu tun ist?

Viele Zeitungen standen da keineswegs zurück. Besonders grob kam die Woche an diesem Donnerstag daher. Die ganze Seite eins füllt ein Artikel des ARD- Journalisten Christoph Lütgert. Eigentlich ein Privilegierter, der einzige deutsche Journalist, der auf der Rainbow Warrior II mit nach Moruroa fahren durfte. Und hier kommen nun die Schläge, die ans Mark gehen, nämlich an die Grundlagen des Widerstands einzelner gegen die Staatsgewalt. Daß Greenpeace die Marine einer Atommacht bezwingen wollte, verrät für Lütgert „Volkssturmdenken auf ökologisch“. Selbst wenn Greenpeace es wirklich militärisch mit schwerbewaffneten Elitesoldaten und Kanonenbooten hätte aufnehmen wollen, war der Volkssturm etwas anderes. Denn die Soldaten des Volkssturms waren nicht gegen Atombomben unterwegs und beileibe nicht freiwillig. Und was bitteschön ist dagegen zu sagen, daß AktivistInnen möglichst viel Wind machen gegen den Presseapparat eines Konzern oder Landes? Wie sollen BürgerInnen, auch wenn sie ausgebuffte Presseprofis sind und von den Spenden anderer bezahlt werden, sonst reagieren? Jedem Journalisten, zumindest jedem Chefredakteur, steht es frei, wie er darauf reagiert.

Anzukreiden wäre eher, daß sich viele durch Spenden loskaufen, anstatt selber etwas gegen Mißstände zu tun. Dieser ökologische Ablaßhandel gibt den Greenpeace-Kampagnen einen Drall weg von langwierigen, komplizierten Themen hin zu einfachen Konflikten im David-Goliath-Schema. Proteste verlieren dadurch auf manchen Gebieten an Breite, es engagieren sich weniger Menschen persönlich. Aber AktivistInnen, die nicht im Rampenlicht stehen, bekommen auch viel ungeschützter die Reaktionen des Staates zu spüren. Und genau das wird durch das undifferenzierte Mosern über professionelle UmweltschützerInnen unter den Tisch gekehrt. Christoph Lütgert schreibt in der Woche, daß die schwarzbehelmten Elitesoldaten Frankreichs beim Erstürmen der Rainbow Warrior II „mediengerecht alles kurz und klein schlugen“. Das sei „fürsorglich“ gewesen, weil Greenpeace sich als Opfer beweinen lassen konnte.

Das Wasser steigt mir eher bei solchen Sätzen in die Augen. Natürlich waren die Szenen gut für das Image von Greenpeace. Aber was sollten Elitetruppen sonst tun? Sie werden dafür bezahlt, daß sie auf Befehl alles und jeden kurz und klein schlagen. Wie Hunde ihr Territorium auspinkeln, setzen Staatsmänner durch ihre Büttel die Marken: bis hierher und nicht weiter. Greenpeace-AktivistInnen werden selten zusammengeprügelt oder in die Luft gesprengt, und sie werden auch kaum mit zermürbenden und teuren Gerichtsverfahren überzogen. Andere schon, wenn sie gegen das Entscheidungsmonopol der gewählten Regierungen arbeiten – und wenn nur ihr Telefon angezapft wird und von Zeit zu Zeit eine Hausdurchsuchung ansteht.

Aber so was passiert etablierten JournalistInnen in der freien Welt ja nicht. Und sie beschäftigen sich auch kaum damit – schließlich gibt es immer irgendwo etwas über wirklich wichtige Leute zu berichten.