Mastnahrung für den Kranich

Bundestagsabgeordnete fliegen viel und vorzugsweise mit der Lufthansa. Dafür sorgt eine Vereinbarung, die der Firma Millioneneinnahmen garantiert und die Konkurrenz verärgert  ■ Von Bernd Neubacher

Seit dem Frühjahr ist die Lufthansa ein Privatunternehmen, doch der Bund sorgt sich noch immer um sie, als handele es sich um seinen Familienbetrieb. „Spätestens bis zum 1. Oktober“ werden Vertreter des Bundesinnenministeriums und der Luftfahrtgesellschaft über die Verlängerung einer Vereinbarung verhandeln, die den Abgeordneten des Bundestages und den Mitarbeitern der obersten Bundesbehörden einen reibungslosen Transport und der Kasse des Unternehmens eine Einnahme in Millionenhöhe garantiert. Weil sie Preisvergünstigungen zwischen 4 (Strecken innerhalb Deutschlands) und 30 Prozent (business und first class nach Japan) bot, wurde Lufthansa Anfang des Jahres zum Exklusivanbieter für die Vielflieger-Gruppe der Abgeordneten und Bundesbediensteten erkoren. Während sich etwa die Verwaltung im nordrhein-westfälischen Landtag von Fall zu Fall nach den günstigsten Angeboten erkundigt, traf der Bund mit der Lufthansa AG eine Nutzungsregelung gleich für das ganze Jahr 1995. Dabei gingen die beiden Partner davon aus, daß der Bund auf internationalen Strecken jählich 20 Millionen und auf nationalen Routen 10 Millionen Mark verfliegt.

Theoretisch können die Abgeordneten zwar auf einem Flug mit der Konkurrenz bestehen. Verwaltungstechnisch stößt dies in der Reisestelle des Bundestages aber auf „fürchterliche Komplikationen“, wie die grüne Parlamentarierin Gila Altmann feststellen mußte. Sie boykottiert die Lufthansa grundsätzlich wegen deren Weigerung, den verfolgten Schriftsteller Salman Rushdie zu befördern. „Als ich eine andere Linie buchen wollte, reagierten die Mitarbeiter sehr unwirsch“, erinnert sich ihr Mitarbeiter Jan Müntinga.

Lufthansa fungiert als offiziöse Reisestelle des Parlaments. In der Ladenzeile des Deutschen Bundestages verfügt sie über ein eigenes Büro mit Hausanschluß. Wählt ein Abgeordneter die Reisestelle des Hohen Hauses unter 1697000 an, um Flüge zu ordern, landet er automatisch bei dem ehemals staatlichen und nunmehr privatisierten Unternehmen. Sahnehäubchen der Vergünstigungen: Miete entrichtet die Fluggesellschaft für die Räumlichkeiten nicht, selbst Telefon und Fax stellt der Bundestag für lau zur Verfügung. Wie Parlamentsvizepräsident Hans Klein erläuterte, wurde „aufgrund der beträchtlichen personal- und zeitsparenden Serviceleistungen der Lufthansa für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ auf die Kostenerstattung verzichtet. Dabei entstehen in solchen Reisebüros, wie Fachleute aus der Branche schätzen, Kommunikationskosten von 15.000 bis 20.000 Mark im Jahr.

Zwar behauptet Klein, daß bei Verhandlungen mit anderen großen Gesellschaften „günstigere Konditionen nicht erzielt werden konnten“, doch wurde anscheinend mancher Konkurrent glatt vergessen. Etwa die zweitgrößte innerdeutsche Linienfluggesellschaft, Deutsche BA. Deren Sprecherin Sandra Trautmann klagt: „Wir sind nicht glücklich über die Tatsache, daß wir nicht die Chance bekommen haben, auch ein Angebot abzugeben.“ Nach ihrer Ansicht wird die Lufthansa auch nicht durch ihre Mengenrabatte für den Bund billiger als die Einzeltarife der Deutschen BA. Das hat, mutmaßt die Abgeordnete Altmann, „etwas mit Lobbypolitik zu tun“.