Gröpelingens langer Weg zur Kulturmeile

■ Drei Tage Weserfest mit geteiltem Ergebnis: Tags toben die Kinder, nachts werden die Bürgersteige wieder hochgeklappt

Die Nacht zum Sonntag hätte lang werden sollen – und weltstädtisch. Dem dreitägigen Gröpelinger Weserfest war schließlich der Ruf als „Bremens neue Kulturmeile“ vorausgeeilt. Nicht ohne Grund, denn die Lage des Festes gilt selbst unter eingefleischten Ostertorschen als vielversprechend: Hinter den großen Lagerhallen der AG Weser, zwischen Kränen und gigantischen Türmen, entfaltet Gröpelingen einen ungeahnten Charme.

Den haben die Veranstalter des Weserfestes, der Kulturladen, die Nachbarschaftsinitiative, Lichthaus, Pier 2 und das Kulturreferat West, genau erkannt. Womit sie nicht rechnen konnten, das war das Wetter – und das Beharrungsvermögen der Leute aus den übrigen Stadtteilen. Denn die blieben am Abend, nachdem die Gröpelinger Familien nach Hause gegangen waren, weg. Das böse Vorurteil, daß der Bordstein im nahen Norden früh hochgeklappt wird, fand seine Bestätigung. Vom schmalen Sträßchen Fährweg, wo das Fest stattfand, bis zur „neuen Breminale“, ist es wohl noch eine halbe Meile.

Dennoch sind die Organisatoren zufrieden. „Beim ersten Mal boomt es schließlich nicht immer“, sagt Lichthaus-Mitarbeiter Georg Ueltzen. „Uns war wichtig, eine neue Verbindung zwischen den Gröpelinger Initiativen herzustellen – und ebenso zum anderen Ufer. Das haben wir nach nur einem halben Jahr Vorbereitung geschafft.“

Tatsächlich: Bremen, Stadt am Fluß, feierte sich – wenigstens tagsüber – mit Genuß. Die neue Fährverbindung, erstmalig eingerichtet, kam gar nicht nach. Lachende GröpelingerInnen quollen an allen Tagen ans Ufer am Lankenauer Höft, in die Auto-Scooter und das Bierzelt. Wer aus Platzmangel auf der Gröpelinger Seite bleiben mußte, wanderte dafür mindestens einmal über das ukrainische Segelschulschiff „Khersones“ – nur wenige allerdings erfuhren, wie man hier das Geschehen am Ufer beurteilte.

„Manchmal besuchen uns 1.000 Leute am Tag“, erzählt der uniformierte Kadett am Eingang stolz. Der Welterfahrene, hat Amsterdam gesehen – und hundert andere Hafenstädte auch. Trotzdem will er über den Hip Hop, der aus der Halle herüber dröhnt, lieber nicht sprechen. Ebensowenig darüber, ob er über den Mangel an Besuchern eigentlich enttäuscht ist. „Manchmal kommen eben nur hundert Leute am Tag“, sagt er und schweigt diskret.

Der Rheinländer Martin ist da schon weniger zurückhaltend. „Komisches Fest hier und schreckliche Musik“, findet er. Vor zwei Stunden hat er alles besichtigt. Aber eigentlich will er weiter. Er ist mit 56 anderen jungen Deutschen an Bord gegangen, um das Skagerak zu umrunden. 135 Mark bezahlt er täglich „dafür, daß so ein Schiff erhalten bleiben kann“ – und für die Hoffnung, vielleicht mal in die Rahen zu klettern, oder ein anderes Abenteuer zu erleben. Sicher weiß er nur eins: „In Bremen werde ich das wohl kaum erleben.“

Am Ufer packt mittlerweile auch der Popcornmann ein. Es ist elf Uhr in der Nacht. Nur ein paar ältere Semester wärmen sich zu Johnny Cashs „Burning Ring of Fire“ vor der kleinen Bühne noch die Hände. 100 Meter bekommen 50 versprengte Youngsters von der großen Bühne herab Westernhagens „Johny Walker“ serviert. Die Pfefferminz-Cover Band hat die Lage durchschaut: „Ich habe hier wohl ganz Gröpelingen am Hals“, witzelt der Sänger und rockt im vollen Bewußtsein seiner ganzen Verantwortung.

Was zu dieser Stunde noch niemand weiß: Der Sonntag wird auf dem Fährweg ein voller Erfolg. Dank Sonne, Hafenkonzert und Werder Bremen füllen sich die Lücken vom Vortag. „Ein richtig schönes Fest“, finden selbst Viertel-BewohnerInnen. ede