■ Für die taz beim Spiel
: Super-Dieter und die anderen

Gast-Reporter berichten in dieser Saison für die taz aus dem Weserstadion. Heute Radio-Bremen-Moderator Stefan Pulß, nächstes Mal der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl-Hermann Niestädt.

„Na ja“, soll Dieter Eilts vor etlichen Jahren einmal gesagt haben; wenn auch in völlig anderem Zusammenhang. Und genau das könnte als Motto über dem Spiel vom Freitagabend stehen, soweit Mottos (Motti? Motten?) überhaupt in der Lage sind, über Fußballspielen zu stehen.

Dieter Eilts jedenfalls war der einzige, der von Beginn an Pässe spielte, die auch ankamen. Und das war nicht alles. Er kämpfte wie immer, holte sich die Bälle in der Abwehr, dirigierte das Spiel, und fast alles gelang ihm. Es war wirklich beeindruckend und alles in allem ziemlich großartig, und damit soll es genug sein mit Lob und Hudel für D.E. Baiano muß noch erwähnt werden; er war nicht nur fast fehlerfrei in der Abwehr, sondern versuchte sich auch mit Fernschüssen, die optimistisch stimmten.

Aber der Reihe nach: Aus der ersten Hälfte ist von einer Riesenchance des TSV 1860 München in der 15. Minute zu berichten, von einer brotlosen Feldüberlegenheit des SV Werder, von einigen Tritten gegen Cardoso, vom gewohnten Platzverweis für Trares und sonst von nicht viel.

Die 60er, einstmals als Arbeiterverein angetreten, zeigten wieder diese unverwechselbare Mischung aus kleinkriminellem Charme und unverblümter Brutalität; eine Mixtur, die auch schon bei anderen proletarischen Freizeitaktivitäten (Ostzopne!) zu beobachten gewesen ist. Am Freitag kam bei den Münchnern noch ein weiteres Symptom hinzu: Die Überzeugung, immer benachteiligt zu werden; doch dazu später.

Schon die erste Halbzeit hatte nicht überzeugt, aber in den ersten 20 Minuten nach dem Wiederanpfiff waren dann wirklich die Motten (!!) im Spiel des SV Werder: Das Spiel nach vorne zerfaserte völlig, Pässe ins Nichts wechselten sich ab mit Flanken ins Irgendwo (Ausnahme natürlich: D.E.). Aber vorne war meist auch niemand; eine extreme Fehlbesetzung war Frank Neubarth im Sturmzentrum. Er kann zwar nicht unbedingt links wie rechts, wird sich Aad de Mos gedacht haben, aber immerhin vorne wie hinten und oben fast wie unten. Am Freitagabend konnte er jedenfalls nicht; zumindest konnte er die Rolle eines Mittelstürmers überhaupt nicht ausfüllen.

Trotzdem war von der 65. Minute an zu spüren, daß noch etwas passieren könnte. Vielleicht schleppte sich Mario Basler eine Spur schneller aus dem Abseits, vielleicht guckte er etwas weniger beleidigt, irgendwas lag jedenfalls in der Luft. Und so kam es dann zu dem Handelfmeter in der 70. Minute, der Werner Lorant vermutlich etliche Tage seines Lebens gekostet hat und den Basler zum 1:0 verwandelte. Ein Handspiel des Münchners Schmidt war vorausgegangen und sicher ist, daß die Hand zum Ball ging. Ob das mit Absicht geschah, darüber könnte man wochenlang und ohne Ergebnis streiten; eine eindeutige Fehlentscheidung war der Strafstoß bestimmt nicht.

Trainer Loranz schimpfte sich dennoch mit Erfolg auf die Tribüne; der für Neubarth eingewechselte Vier erzielte nach Flanke von Basler das 2:0, und Werder bekam seine drei Punkte.

Aber es war wirklich eine mühsame Veranstaltung. Sie wollten, das war deutlich zu erkennen, aber sie wußten die meiste Zeit nicht, wie es geht. Und keinen Augenblick konnte bei einem der 25591 Zuschauer der Verdacht aufkommen, hier hätte vielleicht irgendjemand Spaß am Fußballspiel. Es war Arbeit, Mühsal und Plage, und selbst nach den beiden Toren hielt sich die gemeinsame Freude in engen Grenzen. Vielleicht würde es ein wenig helfen, sich endlich wieder auf Mario Baslers Wahlspruch zurückzubesinnen: „Elf Freunde müßt ihr sein, wollt ihr den Sieg erringen.“ Stefan Pulß