Der weichherzige Killerköter in der Todeszelle Von Ralf Sotscheck

Das hat man nun davon, wenn man seine Innenpolitik nach den Schlagzeilen der Boulevardpresse ausrichtet. „Killt die Killerköter!“ schrien die britischen Schmutzkübel 1991, und der damalige Innenminister Kenneth Baker, gierig auf ein bißchen Popularität, erfüllte ihnen den Wunsch. Er jagte das „Gesetz über gefährliche Hunde“ so schnell durchs Parlament wie noch kein Gesetz zuvor in der Geschichte. Fortan sollten alle „gefährlichen Hunde“ eingeschläfert werden, die ohne tätowierte Registriernummer oder Maulkorb erwischt wurden. Der Hundezüchterverband lief Sturm dagegen, und Baker machte einen Rückzieher: Rassehunde wurden davon ausgenommen – zum Glück für die Corgis der Queen. Eins dieser grauenhaften Schoßhündchen war damals gerade über die Monarchin hergefallen. „Die Queen mußte genäht werden – von ihrem eigenen Hund gebissen“, titelte die Berliner BZ.

Vom Gesetz betroffen sind jedenfalls nur die Pitbulls, jene niederträchtige US-Mischung, für illegale Hundekämpfe importiert, aber mit Vorliebe spielende Kinder zerfleischend. Ein Pitbull ist eben kein Rassehund, und deshalb streiten seitdem die Hundeexperten vor Gericht über Beinlängen und Spitzohren.

Unterdessen sitzen rund tausend Tiere im Hundeknast und warten darauf, ob sie von Gerichts wegen als Pitbulls eingestuft werden. Die Eigentümer von Hundezwingern machen derzeit das Geschäft ihres Lebens. Sie sind aber wohl die einzigen, die Kenneth Baker heute noch freundlich gesinnt sind. Die Boulevardblätter, die vor vier Jahren noch allen Pitbulls den Tod gewünscht hatten, beklagen sich nun auf einmal über die „Massenhinrichtungen“. Der siebenjährige Pitbull Dempsey und seine Besitzerin Dianne Fanneran wurden inzwischen sogar zu Berühmtheiten. 1992 lief ein Nachbarsjunge mit dem Tier zum Eckladen. Weil Dempsey unterwegs kotzen mußte, nahm ihm der Junge kurz den Maulkorb ab – und schon war ein Polizist zur Stelle, der den Hund verhaftete. Seitdem wird Dempsey an unbekanntem Ort gefangengehalten, nur einmal erhielt Fanneran eine Besuchserlaubnis. Die Polizei hatte ein geheimes Rendezvous an einem neutralen Treffpunkt arrangiert und Fanneran untersagt, Verwandte oder gar die Presse mitzubringen. Der Prozeß hat die SteuerzahlerInnen umgerechnet bisher mehr als 120.000 Mark gekostet, für den Zwinger kamen nochmal 30.000 Mark hinzu. „Dempsey war so weichherzig, daß sie vor anderen Hunden immer weggerannt ist“, sagt die Besitzerin und schaut traurig auf die Anrichte, wo ein Foto von Dempsey steht. „Sie hat niemals Leute angebellt, als Wachhund war sie völlig nutzlos.“ Das erinnert fatal an die Aussage eines anderen Pitbull-Eigentümers, dessen Liebling gerade ein Kleinkind zerfetzt hatte.

In der vergangenen Woche ist Dempsey erneut vor Gericht unterlegen, doch der Prozeß geht in die nächste Instanz. Der Anwalt des Hundes hat bisher noch jedesmal ein Schlupfloch entdeckt. Und es gibt noch eine weitere Hoffnung: Die französische Schauspielerin Brigitte Bardot hat Dempsey politisches Asyl angeboten. Unterdessen lachen sich die Rottweiler ins Fäustchen: Für sie gilt das Maulkorbgesetz nicht, weil sie Rassehunde sind.