Das Portrait
: Der Draufgänger

■ Reinhard Furrer

Reinhard Furrer, Physiker und Astronaut Foto: AP

Reinhard Furrer ist tot. Der 54jährige Physikprofessor, Berufspilot und frühere Fluchthelfer war eine der schillerndsten Figuren im deutschen Wissenschaftsbetrieb und Mitglied der ersten deutschen Skylab-Mission „D1“ im Herbst 1985. Am Sonntag flog er als Kopilot in einer Messerschmitt Me-108 aus dem Jahre 1944 über dem Flughafen Berlin-Johannisthal. Bei einer Kunstflugübung stürzte die Maschine ab, Furrer und der 39 Jahre alte Pilot waren sofort tot.

Furrer wuchs im Allgäu auf und studierte ab 1962 Physik in Kiel und an der Freien Universität Berlin. Der Burschenschafter organisierte zu dieser Zeit als eines der maßgeblichen Mitglieder der Gruppe „Klunte und Klunte“ über Jahre hinweg die Flucht von DDR- Bürgern aus Ostberlin. Vor allem durch Tunnelbauten gelangen den Fluchthelfern einige spektakuläre Massenfluchten, darunter auch die Flucht der 57 in der Nacht vom 4. zum 5. Oktober 1964. Dabei wurden Furrer und ein Helfer am Eingang des Tunnels im Hof des Ostberliner Grundstücks Strelitzer Straße 55 von DDR-Grenzsoldaten überrascht. Einer der beiden Studenten erschoß dabei den Unteroffizier Egon Schultz – ob Furrer oder sein Helfer den tödlichen Schuß abgab, wurde nie geklärt. Noch bis Ende 1967 war Furrer verdeckt aktiv. So erteilte er ahnungslosen Studenten über die Arbeitsvermittlung der Universität den Auftrag, mit Geheimfächern präparierte Autos über die Transitstrecke nach Westdeutschland zu fahren. So wurden gefälschte Papiere und Munition für CIA-Spione in der DDR geschmuggelt.

Nach diesen Episoden konzentrierte sich Furrer wohl mehr auf die Physik. Ab 1974 war er Assistenzprofessor an der Freien Universität. Er arbeitete über Kristalle. Auch die Fernerkundung der Erde und die Messung atmosphärischer Spurengase gehörte zu seinen Schwerpunkten. Durch seine Mission auf der Skylab avancierte er zum Medien-Star, was er durch gestyltes Draufgängertum zu fördern wußte. So benutzte er zum Beispiel bei der Landung der Challenger keinen Druckanzug.

Ab 1987 war er ordentlicher Professor für Weltraumwissenschaften an der FU Berlin und bis 1994 auch Leiter eines privatwirtschaftlich geführten Weltraum-Instituts. Die geschichtlichen Spuren seiner Zeit als Fluchthelfer verblassen: Die Umbenennung der Strelitzer Straße in Egon-Schultz-Straße wurde nach der Wende rückgängig gemacht. rem