Telefonkarten mit unendlich viel drauf

Eine Betrügerbande fälscht die angeblich sicheren Plastikdinger und bringt die Deutsche Telekom um viele Millionen. Eine weitere Aushöhlung des Fernmeldegeheimnisses droht  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz/AFP) – Telefonkarten müssen nicht teuer sein. Das haben kriminelle Tüftler nun der Deutschen Telekom eindringlich bewiesen. Im englischen Coventry wurde am Freitag ein Deutscher in einem Hotel verhaftet, ein zweiter in Deutschland. Der in Coventry Festgenommene hatte einen Laptop, blanke Plastikkarten ohne Mikrochips und eine Lötausrüstung bei sich. Damit ist es möglich, eigene Chips, die den offiziellen der Telekom täuschend ähnlich sind, auf einer Telefonkarte anzubringen. Diese Prozessoren sind so programmiert, daß sie sich von allein wieder aufladen, nachdem sie durch Telefonieren entwertet wurden. So ist beispielsweise mit einer einzigen 50-Mark-Karte unbegrenztes Plaudern möglich.

Wie hoch die Verluste der Telekom durch die gefälschten Plastikdinger bereits sind, ist unbekannt. Potentiell gehen die Verluste bei einigen tausend Karten bereits in eine zweistellige Millionenhöhe. Nach Angaben von Focus sollten in den nächsten Wochen von einer deutschen Bande mit Fertigungsstätten in England und Deutschland 500.000 Karten auf den Markt geworfen werden. Vertriebsleute in zahlreichen Großstädten seien schon angeheuert worden. Für die Software zur Programmierung des gefälschten Chips seien Entwicklungsaufträge an indische Software-Häuser vergeben worden.

Es ist im Prinzip nicht einmal nötig, eigene Chips in die Telefonkarten einzubauen. Denn auch bei den von der Post vertriebenen Karten soll es eine streng geheimgehaltene Befehlsfolge geben, mit der es möglich ist, den Chip wieder auf seinen ursprünglichen Betrag, zum Beispiel 50 Mark, zu setzen. Die Bande soll laut Focus einen Postmitarbeiter mit 1,8 Millionen Mark bestochen haben, um an das entsprechende Know-how heranzukommen. Biher waren die „Smart Cards“ als fälschungssicheres System angepriesen worden. Sie galten auch als Modell für eine elektronische Geldbörse.

„Die ganze Aktion wird eine weitere Einschränkung des Rechts auf Bargeld mit sich bringen“, fürchtet Wau Holland, Alterspräsident des Hamburger Chaos Computer Clubs. Recht auf Bargeld heißt für Holland auch, telefonieren zu können, ohne in irgendwelchen Computern Datenspuren zu hinterlassen. Bisher haben nämlich jeweils hundert Telefonkarten eine gemeinsame Seriennummer. Diese fragt der Computer der Telefon-Vermittlungsstelle ab, um die Gültigkeit der Karte zu testen. Der Datenschutz ist also noch halbwegs gewährleistet, weil die Post die Daten von hundert NutzerInnen gegebenenfalls nur unter einer Nummer speichern kann. „So ein Coup wie der mit den umprogrammierten Chips wird dafür sorgen, daß sich die Telekom bessere Schutzmechanismen überlegt. Und das heißt eine genauere Überwachung ihrer Kunden“, sagte Wau Holland gestern.