■ Lebensbrüche
: Mein Priester-Mann und ich

Marina Müller (37) lebt seit zweieinhalb Jahren im freiwilligen Zölibat: Sie liebt einen katholischen Priester. Die gelernte Tontechnikerin wohnt zusammen mit ihrem 17jährigen Sohn in Ostberlin und arbeitet als Projekt-Managerin bei einer Servicegesellschaft.

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taz: Wie ist das eigentlich, ohne Sex zu leben?

Marina Müller: O Gott! Zuerst war's aufregend. Erst nach einiger Zeit hab ich gemerkt, wie schwierig es ist. Aber das ist mir egal, ich liebe diesen Mann.

Einen katholischen Priester ...

Ja. Ich akzeptiere, daß er im Zölibat lebt. Und ich hab' erfahren, daß Liebe trotzdem sein kann.

Damit unterwerfen Sie sich doch völlig der kruden Doppelmoral der katholischen Kirche.

Nein. Für mich ist die Kirche nicht ausschlaggebend. Ich bin nicht gegen den Zölibat, sondern nur gegen den Pflichtzölibat der Kirche. Ich lebe freiwillig enthaltsam. Niemand hat mir das aufoktroyiert. Höchstens die Liebe.

Sind Sie gläubig?

Ich bin gläubig, aber nicht fromm. Ich habe meinen Glauben auch schon in der DDR gehabt, auch ohne die Kirche. Gott hat sicherlich nicht gewollt, daß man eine Institution braucht, um an ihn glauben zu können. Ich weiß auch nicht, ob mein Gott katholisch, evangelisch oder sonst was ist.

Wieso ein Priester? Hat der etwas, was andere Männer nicht haben?

Nein, als ich ihn kennenlernte, wußte ich ja gar nicht, daß er Priester ist. Ich hab' mich einfach in den Mann verliebt.

Und später?

Na ja, da ist schon was dran, an so einem Priester. Das ist nicht dieses Dornenvögel-Syndrom ... aber vielleicht so 'ne Art Charisma.

Reizt da auch das Verbotene?

Nein, überhaupt nicht!

Wann haben Sie sich gesagt, ab jetzt lebe ich im Zölibat?

Vor gut zweieinhalb Jahren. Da merkte ich, es wird eine tiefere Beziehung, eine Art Lebensgemeinschaft mit meinem Priester-Mann.

Und seither berühren Sie Ihn nicht mehr?

Aber natürlich berühren wir uns. Alle Menschen, die sich lieben, berühren sich auch mal ...

... und dann knistert es ab und an erotisch.

Ich glaub' nicht, daß unsere Berührungen erotisch sind. Es ist wie eine Freundschaft, und doch weit mehr als eine Freundschaft. Wir fassen uns schon mal an den Händen, zeigen uns, daß wir uns nah sind. Und das ist es dann.

Und Küsse?

Küsse? Nein! Das wird langsam aber voyeuristisch.

Vermissen Sie die Sexualität?

Aber klar. Neben ihm zu leben und körperlich auf ihn zu verzichten ist sehr schwer.

Gibt es zwischen Ihnen Erotik ohne Sex?

Natürlich. Das kann ein Blick sein, ein Geschenk. Oder einfach, wie der eine an den anderen gedacht hat.

Sie hatten noch nie Lust, ihn zu verführen?

Doch, natürlich. Aber da ich mir den Zölibat frei gewählt habe, kann ich das nicht tun. Was hätte ich davon, wenn ich ihn verführe, und er sagt am nächsten Tag, da hab' ich einen großen Fehler gemacht. Das möchte ich ihm nicht antun. Es geht hier nicht um 'ne schnelle Nummer im Bett. Es geht um viel, viel mehr!

Um was?

Um meine Liebe. Ich bringe ein Opfer aus Liebe.

Sie unterwerfen sich also völlig Ihrem Freund?

Nein, nicht meinem Priester- Mann, sondern der Liebe! Die Liebe, das ist eine Naturgewalt wie ein Erdbeben. Das ist was völlig Irrationales. Da kannste nichts machen.

Und wie lange soll das so enthaltsam weitergehen?

Darüber hab' ich noch gar nicht nachgedacht. So lange, wie es geht. Zu Beginn einer Liebe weiß ich doch nie, wann sie mal endet.

Interview: Karin Flothmann