Heute trifft Helmut Kohl an seinem ersten Tag in Südafrika Präsident Mandela. Deutschlands politischer Einfluß am Kap ist nicht zu unterschätzen, fast alle Stiftungen versuchen vor Ort ihre Interessen durchzusetzen. Aus Kapstadt Kordula Doerfler

Die Pfründen sind verteilt

Der politische Teil des viertägigen Besuchs Helmut Kohls in Südafrika wird in wenigen Stunden abgehandelt: An seinem ersten Tag am Kap trifft der deutsche Kanzler heute mit Präsident Nelson Mandela und seinen Stellvertretern Thabo Mbeki (ANC) und F. W. De Klerk (Nationale Partei) zusammen – und, kaum zufällig, mit Inkatha-Chef und Innenminister Mangosuthu Buthelezi. Außerdem wird er eine Rede vor dem Parlament halten. Am Dienstag morgen fliegt Kohl dann für zwei Tage in die Wirtschaftsmetropole Johannesburg weiter und wird unter anderem ein BMW-Werk in Pretoria besichtigen.

Deutschland hat vor allem wirtschaftliche Interessen in Südafrika, und seit dem Machtwechsel im April vergangenen Jahres weisen die Bilanzen im Außenhandel wieder nach oben. Entsprechend hochkarätig ist die Wirtschaftsdelegation, die Kohl dabeihat, allen voran den Aufsichtsratsvorsitzenden von Daimler Benz, Jürgen Schrempp. Kohls politisches Interesse an Südafrika wie am südlichen Afrika überhaupt ist hingegen eher gering. Er hatte es im Gegensatz zu anderen europäischen Staats- und Regierungschefs im letzten Jahr keineswegs eilig, Nelson Mandela als neuem Präsidenten die Hand zu schütteln; zur Inaugurationsfeier am 10. Mai 94 schickte Kohl seinen Stellvertreter Klaus Kinkel.

Seitdem Mandela im Amt ist, war auf Regierungsebene Arbeitsminister Norbert Blüm der einzige, der Südafrika einen Besuch abstattete und Beraterdienste bei der Reform der südafrikanischen Arbeitsgesetze leistete. Dabei ist unterhalb der offiziellen Regierungsebene der deutsche politische Einfluß in Südafrika nicht zu unterschätzen. Die Parteistiftungen mit Ausnahme der Grünen haben seit Jahren Büros vor Ort und versuchen, je nach politischen Vorlieben ihre Interessen durchzusetzen.

Daß der Bundeskanzler heute ausgerechnet mit dem notorischen Querulanten Buthelezi ein Gespräch führen wird, ist kein Zufall. Seit vielen Jahren pflegt die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) intime Kontakte zur konservativen Inkatha-Freiheitspartei (IFP), und Buthelezi war vor den südafrikanischen Wahlen im April vergangenen Jahres immer ein gern gesehener Gast in Bonn.

Vor allem auf einem Gebiet ist die Konrad-Adenauer-Stiftung im neuen Südafrika aktiv: Sie leistet tat- und finanzkräftige Unterstützung bei den Verfassungsberatungen – und ist dabei in guter Gesellschaft. Auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) mischt hier kräftig mit. Die Ziele sämtlicher deutscher Parteistiftungen in Südafrika lesen sich wie aus dem Handwörterbuch der parlamentarischen Demokratie. Schwerpunkt ihrer Arbeit, das erklären die örtlichen Leiter Frank Spengler (KAS) und Hubert Schillinger (FES) fast unisono, ist die Beratungstätigkeit bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung Südafrikas. Dabei hat man sich das Terrain mehr oder minder gütlich aufgeteilt, entsprechend den historisch gewachsenen Präferenzen. Die Sympathien der KAS gelten nach wie vor Inkatha und deren Bestrebungen nach „Föderalismus“, die FES berät vorwiegend den ANC. Die kleineren Stiftungen mußten sich indessen mit anderen Tätigkeitsfeldern zufriedengeben; selbst wenn sie entsprechende Ambitionen hatten, wurde ihnen dezent beigebracht, daß die Pfründe verteilt sind.

Derzeit gilt in Südafrika eine Übergangsverfassung, die ein mühsamer Kompromiß aller an den Verhandlungen über den Übergang zur Demokratie beteiligten Parteien ist. Zentrale Fragen wie das Verhältnis zwischen Zentralregierung und Provinzen wurden so gut wie ausgeklammert und auf später verschoben. Schon während der Verhandlungen über die Übergangsverfassung traten die deutschen Parteistiftungen auf den Plan. Emsig reisen seither deutsche Delegationen und Verfassungsexperten, finanziert mit deutschen Steuergeldern, ans Kap, um den Südafrikanern Lektionen in parlamentarischer Demokratie zu erteilen. Umgekehrt studieren südafrikanische Parlamentarier, Verfassungsexperten und Politiker in Deutschland die Segnungen des deutschen Systems.

Als besonders schwierig erweisen sich all die heiklen Fragen, die heute um das Thema Föderalismus kreisen. Der ANC befürwortet von jeher einen starken Zentralstaat und beißt dabei bei Inkatha auf Granit. Auch die FES sieht diese Tendenzen mit Unbehagen, wie Hubert Schillinger zugibt. Derzeit versuche man beispielsweise, die Südafrikaner davon zu überzeugen, daß sie das Oberhaus des Parlaments nach deutschem Vorbild in einen Bundesrat umwandeln, in dem die Provinzen dann auch wirklich etwas zu sagen haben. Dagegen versucht Inkatha unter dem Deckmantel des Föderalismus soviel Autonomie wie möglich für die Provinz KwaZulu/Natal herauszuhandeln. Schon vor Monaten hat sich die Partei unter Protest aus der verfassungsgebenden Versammlung zurückgezogen, versucht aber jetzt, über eine Provinzverfassung ihre Vorstellungen von Föderalismus durchzusetzen – beraten von der KAS.

Daß es im „neuen Südafrika“ nicht mehr opportun ist, direkte politische Beeinflussung zu betreiben, haben auch die deutschen Parteistiftungen erkannt. „Wir haben heute zu allen Parteien gute Beziehungen und arbeiten auch mit dem ANC zusammen“, betont Frank Spengler. Tatsächlich lesen sich die Einladungen zu KAS- Kongressen über Föderalismusfragen heute wie ein „Who's who?“ der südafrikanischen Politik. Fast krampfhaft bemüht sich die Stiftung, von ihrem schlechten Image aus der Apartheid-Zeit wegzukommen. „Wir haben Inkatha nie direkt unterstützt“, sagt Spengler, „sondern wir haben nur Projekte und Institute gefördert.“ Daß dabei die Grenzen, wohlwollend betrachtet, fließend waren, ist heute vergessen. Auch das anrüchige Inkatha-Institut in Durban, das die Adenauer-Stiftung Anfang der 90er Jahre unterstützt hatte, sei ein reines Forschungsinstitut gewesen. Zu dieser Zeit herrschte in KwaZulu/Natal fast ein Bürgerkrieg, im Konflikt zwischen ANC und Inkatha kamen mehr als 10.000 Menschen ums Leben.

„Wir haben immer mäßigend auf die IFP eingewirkt“, erklärt Spengler. Daß die Partei sich in allerletzter Minute dazu bereit erklärte, überhaupt an den Wahlen im April vergangenen Jahres teilzunehmen, führt die Adenauer- Stiftung auch auf diesen mäßigenden Einfluß zurück. Die Zulu-Partei Inkatha, so glaubt Spengler, habe als ethnische Partei auch heute noch eine wichtige Funktion auf dem Wege zur Demokratisierung. Das KAS-Büro in Durban wird weiter aufrechterhalten, und dessen Leiter Johannes Stoll ist ein gern gesehener und geachteter Gast auf IFP-Veranstaltungen.

Indes ist man mit den Entwicklungen in KwaZulu/Natal heute nicht mehr ganz so glücklich. Ein neuer Verfassungsentwurf, den Inkatha im August aus der Tasche zauberte, geht auch der Adenauer- Stiftung zu weit. Einer der KAS- Rechtsexperten, der Verfassungsrechtler Ulrich Karpen von der Universität Hamburg, der sich regelmäßig in Südafrika aufhält, äußerte sich mehrfach öffentlich verärgert. Er sei frustriert, erklärte er kürzlich gegenüber einer südafrikanischen Zeitung, über einen neuen Entwurf, den Inkatha jetzt lanciert hätte. Mit dem ursprünglichen habe der nicht mehr viel zu tun, und er werde dem Kanzler anläßliches seines Besuchs darüber Bericht erstatten.