Die CSU im Glück

■ Das Kruzifix eint das Volk und seine Volkspartei

Die CSU kriecht zu Kreuze – mit Begeisterung. Selten in ihrer Geschichte standen die Christsozialen so strahlend da wie auf ihrem Parteitag am Wochenende. Die Querelen um die Doppelspitze Waigel/Stoiber sind längst beigelegt, die bayerische SPD ist in Selbstauflösung begriffen, das Kruzifix-Urteil eint Volk und Volkspartei. Wer redet noch von Amigo-Affairen, wer erinnert sich noch an die Ängste, die so mancher Landtagsabgeordnete sechs Monate vor der letzten Wahl ausstand? Hatte Renate Schmidt nicht angekündigt, die Sozialdemokraten wollten die CSU nur so vor sich her treiben? Vergiß es.

Es mag im hohen Norden unverständlich bleiben, warum zwei quergestellte Holzbalken eine Bevölkerung derart in Rage versetzen können. Doch die CSU hat in einem Punkt recht: Viele Menschen empfinden das Kreuz als sinnstiftend, auch wenn sie längst nicht mehr zur Kirche gehen. Es ist selbstverständlicher Teil des Alltags, sei es auf dem Hausdach, im Wirtshaus, als Herrgottswinkel in der Stube oder als Wegmarkierung. Wer dieses Symbol verbieten will, greift Identität an. Das Bundesverfassungsgericht hat der CSU eine Vorgabe geliefert, die Partei mußte nur noch zugreifen. Daß sie nun seit Wochen ein Spektakel sondergleichen inszeniert, um die Wähler mit dem Kreuz für sich zu mobilisieren, kann ihr im Ernst niemand vorwerfen.

Wie sie das tut, ist allerdings mehr als bedenklich. Denn inzwischen redet kaum noch jemand vom Inhalt des Urteils. Es geht ums Prinzip. Bei vielen Menschen ist der Eindruck entstanden, daß nun ab sofort alle Kreuze an Bayerns Schulen per se verboten seien. Dagegen wehrt man sich – und die CSU, die diesen Unsinn selbst in die Welt gesetzt hat, ist als Retter in der Not gerade recht.

„Wir respektieren das Urteil, aber wir akzeptieren es inhaltlich nicht“, mit solchen Sprüchen ist Edmund Stoiber der Beifall gewiß. Ein kleiner Verfassungsbruch erscheint da als reine Notwehr, die Bedenken von Minderheiten als Unverschämtheit.

Wie aber will die CSU damit fertig werden, wenn an den Tausenden bayerischen Schulen ab morgen das Kreuz weiter friedvoll an der Wand hängen wird? Denn der eigentliche Effekt der Kampagne macht das angekündigte Pro-Kruzifix-Gesetz gänzlich überflüssig: Kaum ein Elternpaar oder Alleinerziehender wird es jetzt noch wagen, das Entfernen des Kreuzes aus dem Klassenraum zu verlangen – aus Furcht vor der Wut der Mehrheit, die inszeniert, aber gleichzeitg doch ehrlich ist. Klaus Hillenbrand