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Radioaktiver Durchblick

■ Polizei warnt vor alten NVA-Ferngläsern für die Nacht. Die "Doppelfernrohre" sind radioaktiv und ihr Besitz strafbar

Ferngläser, mit denen man nachts sehen kann, sind auf manchem Flohmarkt der Renner. Das vom VEB Carl Zeiss Jena hergestellte Glas wird für 200 bis 250 Mark verkauft, doch der Käufer weiß meistens nicht, daß sowohl Handel wie Besitz strafbar und gefährlich sind. In dem sogenannten Einheitsdoppelfernrohr „EDF 7 x 40“ steckt nämlich eine ringförmige Glasampulle, die mit hochradioaktivem Tritium gefüllt ist. Das Tritium wird statt einer Batterie für die Lichtverstärkung genutzt, so daß durch das Fernglas auch nachts gesehen werden kann.

Die Polizei warnt seit gestern vor der olivgrünen Optik, die aus Beständen der Nationalen Volksarmee und der Volkspolizei stammt. Besitzer sollen die Geräte von der Strahlenmeßstelle der Umweltverwaltung untersuchen lassen. Enthalten sie jene Tritiumröhre, werden sie einkassiert. Nach Polizeiangaben haben die Besitzer dann kein Strafverfahren zu erwarten, weil nach Strahlenschutzrecht nur „grob pflichtwidrige“ Verstöße mit Freiheits- und Geldstrafen geahndet werden.

Die Gesundheitsgefahr soll sich bei heilen Röhren in Grenzen halten. Es sei gefährlicher, mit einer phosphorisierenden Armbanduhr zu schlafen, als durch das Fernglas zu gucken, sagte ein Mitarbeiter. Wenn allerdings beispielsweise einem Bastler die Glasröhre mit dem radioaktiven Gas kaputtgeht, kann das Tritium in dessen Lunge geraten und dort Krebs verursachen.

Das Tritium in den Röhren hat eine Gesamtdosis von 100 Gigabecquerel, die sich alle zwölf Jahre halbiert. Die Ferngläser dürfen auf keinen Fall in eine Mülltonne geworfen werden. Der Carl-Zeiss- Nachfolger „Jenaoptik“ soll die alte NVA-Technik fachgerecht entsorgen. Die Kosten übertreffen möglicherweise den Kaufpreis und müssen vom Besitzer getragen werden.

Woher die Ferngläser kommen, ist unklar. In den vergangenen Wochen hatte die Polizei Flohmärkte am Pariser Platz, Arkonaplatz, Fehrbelliner Platz sowie in der Köpenicker Straße, Straße des 17. Juni und am Askaniaring kontrolliert. Die Ordnungshüter fanden allerdings keine Geräte mit Tritiumröhre. Nach Informationen der taz gibt es Ermittlungsverfahren in Mecklenburg-Vorpommern – wegen des Verdachts des Diebstahls. In dem Bundesland haben Unbekannte Ausrüstungsgegenstände der Volkspolizei gestohlen, zu denen auch die radioaktiven Ferngläser gehörten. Dirk Wildt

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