Vulkan spuckt Hennemann aus

■ In Bremen verlieren die Hausbanken jetzt ihre Geduld mit dem größten deutschen Schiffbauunternehmen: Werftchef tritt ab

Bremen (taz) – Seine Bewunderer nennen ihn einen Visionär, seine Kritiker einen Scharlatan. Friedrich Hennemann (59), gelernter Apotheker und promovierter Ökonom, Vorstandsvorsitzender des Bremer Vulkan Verbundes, war gestern stundenlang Thema einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung des Konzerns. Seit Tagen ging man davon aus, daß Bankenvertreter die Absetzung des Konzernchefs durchsetzen wollen.

Am Abend schließlich erklärte der umstrittene Hennemann, er wolle sein Mandat niederlegen. Der Aufsichtsrat stimmte zu. Hennemann will noch solange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger zur Verfügung steht. Auch die Vorstandsmitglieder Triebold und Zinken stolperten über die schwere Krise bei Vulkan.

Schon in den achtziger Jahren war Hennemann als Leiter der Wirtschaftsbehörde „immer der einzige und der Größte“, plauderte jüngst ein früherer Bremer Senator. „Hennemann führte im Senat das Wort“ mit „kühlem, arroganten Pokerface“, sein Senator blieb daneben stumm. Nachdem Versuche Hennemanns gescheitert waren, mit staatlichen Subventionen die alten Bremer Werften zu retten, ging er selbst in die „freie Wirtschaft“: 1987 wurde er Vorstand des Bremer Vulkan. Zunächst führte er mit staatlicher Finanzhilfe die nach der Pleite der „AG Weser“ verbliebenen Bremer Werften in einen Werftenverbund zusammen. Dann leitete er eine Umwandlung im großen Stil ein: Im Anlagen- und Maschinenbau kaufte er ein Sammelsurium von Unternehmen auf, zuletzt – wiederum mit staatlicher Hilfe – die Bremer Rüstungsschmiede Atlas Elektronik. Ein weltweit operierender Technologiekonzern war die Vision Hennemanns, „maritimer Umweltschutz“ sein Steckenpferd, der klassische Werftsektor eher ein Restbestand aus Gründerzeiten. Als die großen Programme für den Aufbau Ost winkten, machte Hennemann eine kleine Kehrtwende: Er übernahm Werften sowie Maschinenbauanteile im Osten. Der Schiffbauanteil stieg wieder – dafür war es der Vulkan-Verbund selbst, nicht ein Konkurrent, der mit EG-Subventionen die modernsten Werften Europas an den alten DDR-Schiffbauplätzen aufbaute.

Jetzt scheint der Werftaufbau im Osten den Vulkan vor unerwartete Probleme zu stellen. Aus Kreisen der Commerzbank kamen die ersten Indiskretionen, die von einem 300-Millionen-Kredit für den Verbund berichteten. Das sei „tägliches Geschäft“, war dessen erste Reaktion. Eine Woche später wurde der Aufsichtsrat zu einer Sondersitzung zusammengetrommelt: Die Banken, so heißt es, geben weiteres Geld nur, wenn drei Vorstandsmitglieder – unter ihnen der Chef Hennemann – abtreten. Hennemann hat sein Unternehmen offenbar geschickt in Beteiligungen verstrickt, die nur wenige Eingeweihte vollständig überblicken. Mehr wurmen dürfte die Aktionäre, daß das Versprechen 1995 nach Jahren wieder eine Dividende auszuzahlen, offenbar nicht gehalten werden kann. Klaus Wolschner