Schwarzes Dollar-Loch bei Daimler

■ In der Halbjahresbilanz stehen viele Rekorde: Die Gewinne bei Mercedes, die Verluste bei Dasa, AEG und dem Gesamtkonzern. Die Belegschaft wird weiter schrumpfen, vor allem im Inland

Berlin (taz/rtr) – Der größte deutsche Konzern zieht die Bilanz der ersten sechs Monate dieses Jahres, und sie ist rot wie die Sonne über dem japanischen Meer: 1,56 Milliarden Mark Minus nach Steuern ist ein Negativrekord in der Unternehmensgeschichte. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren noch 462 Millionen Mark Gewinn verbucht worden, wenn auch mit einigen Bilanztricks. Der Umsatz stieg um ein Prozent auf 48 Milliarden, im Gesamtjahr 1995 wird er von der Konzernleitung auf 105 Milliarden Mark projiziert. Vor allem die Daimler-Benz-Aerospace (Dasa) drückte das Ergebnis. Die Luftfahrt- und Rüstungssparte fuhr satte 1,6 Milliarden Mark Verlust ein. Dabei wurden jedoch alle eingegangenen Airbus- Aufträge in den Büchern umgeschrieben: Wurde bisher für die Bilanz ein Dollar mit 1,55 Mark bewertet, so gilt er jetzt nur noch 1,38 Mark. Allein daraus resultierte eine Verlustrückstellung von 1,2 Milliarden Mark, die restlichen 400 Millionen sind Betriebsverluste.

Die AEG ist ein weiterer Mühlstein am Hals des Gesamtkonzerns. Bei einem Umsatz von 4,4 Milliarden lag das Minus in diesem Halbjahr bei 609 Millionen Mark. Obwohl Daimler immer neue Teile der AEG abstößt oder in Joint-ventures mit anderen Konzernen einbringt – wie die Bahnkooperation mit ABB – stieg der Verlust an, im gleichen Zeitraum des Vorjahres lag er bei 341 Millionen. Laut dem Konzern habe vor allem ein verstärkter Wettbewerb bei den Bahnsystemen zur Ergebnisverschlechterung geführt. Die AEG wird bei den Sanierungsbemühungen weiterhin „im Focus stehen“, so ein Daimler-Sprecher.

Der Rettungsanker war wieder einmal die Fahrzeugsparte Mercedes Benz. Sie steigerte den Gewinn um 45 Prozent auf 1,5 Milliarden Mark. Der Absatz der dicken Pkw stagnierte zwar weltweit bei knapp 300.000, die Nutzfahrzeuge jedoch boomten. Die Dienstleistungstochter Daimler-Benz-Inter-Service (debis) hielt sich einigermaßen. Nach einem außergewöhnlichen Gewinn 1994 durch den Verkauf einer Leasingtochter sank der Gewinn in diesem Halbjahr auf 112 Millionen.

Den Rekordverlust begründete die Konzernspitze „fast ausschließlich“ mit dem niedrigen Dollarkurs. Da sie nicht mehr mit einer Steigerung des Greenbacks auf über 1,60 Mark rechnet, müssten die Kosten weiter gedrückt werden. Wohl sind in diesem Jahr noch zwei von 5,5 Milliarden Mark Umsatz durch Kurswetten an den Börsen abgesichert. Doch neue Absicherungen kämen bei einem andauernd niedrigen Dollar-Kurs zu teuer. Durch Entlassungen und Rationalisierungen wurde in diesem Halbjahr „der Kostensockel im Konzern um 5,1 Milliarden Mark reduziert“, so Konzernchef Jürgen Schrempp. Doch würden quer durch alle Aktivitäten strategische Optionen ohne Tabu geprüft. Es werden also noch viele Daimler-MitarbeiterInnen gehen müssen, vor allem bei Dasa und AEG. Ende Juni 1994 waren über 335.250 Menschen bei Daimler, ein Jahr später 5.000 weniger. Bei der Dasa wurden 7.000 entlassen, bei der AEG 1.900. Dagegen legte Mercedes um 3.500 und die debis um 800 Beschäftigte zu. Von den Neueinstellungen profitierten unter dem Strich die ausländischen Töchter. Sie hatten 850 Menschen mehr auf den Gehaltslisten, insgesamt 80.250. rem