Lesben ohne Letzte Ölung

■ Fauler Kompromiß auf der Weltfrauenkonferenz: Weibliche Homosexualität ist kein Menschenrecht

Peking (taz) – „Die Menschenrechte der Frauen schließen das Recht ein auf freie und verantwortungsvolle Kontrolle und Entscheidung über die Dinge, die mit ihrer Sexualität zu tun haben, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt.“ Weil der Gedanke, daß Frauen sexuelle Rechte haben könnten, dem Vatikan, dem Iran und anderen konservativen Regierungen unerträglich ist, wird die Weltfrauenkonferenz wohl diese gestelzte Formulierung für ihr Abschlußdokument wählen. Nach zähen Verhandlungen akzeptierten die Vertreterinnen des Papstes gestern diese Formulierung.

Hinter dem umstrittenen Begriff „sexuelle Rechte“, der in dem Text nun nicht mehr auftaucht, verbirgt sich die Tatsache, daß Frauen lesbisch sein und lesbisch leben dürfen. Eine kleine, aber lautstarke Gruppe katholischer und islamischer Regierungen, in Peking gern als unheilige Allianz bezeichnet, hat sich heftig dagegen gewehrt, daß dies als neues Menschenrecht anerkannt wird – und gewonnen.

Nach Ansicht eines Sprechers der deutschen Delegation, Michel Bohnet, wird zwar der Begriff „sexuelle Rechte“ nicht mehr im Pekinger Schlußdokument auftauchen, das am Freitag im Konsens verabschiedet werden soll. Doch die nun gefundene Formulierung laufe auf das gleiche hinaus, meinte er. Die spanische Sozialministerin Cristina Alberti nannte die Formulierung gestern überschwenglicher einen Durchbruch. Doch auch der Iran feierte die Formulierung als Sieg am Verhandlungstisch.

Was diese Konferenz so mühsam und für viele Teilnehmerinnen äußerst frustrierend macht, ist die Tatsache, daß in Peking viele Rechte wieder in Frage gestellt werden, die längst erkämpft schienen. Immer noch sind mindestens zehn Prozent aller Formulierungen im Text eingeklammert, das heißt strittig. Da viele – aber längst nicht alle – dieser Klammern vom Vatikan, von katholischen und islamischen Regierungen eingebracht wurden, sprechen Kommentatorinnen von den „heiligen Klammern“. Einige Rechte und Formulierungen, die bereits bei der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 unterschrieben worden waren, wurden gestern noch einmal bestätigt. Als Erfolg gilt etwa, daß die Regierungen „die Notwendigkeit“ anerkannten, jene Gesetze in ihren Ländern „zu überprüfen“, die Frauen nach illegalen Abtreibungen unter Strafe stellen. Oder daß Vatikan und konservative Staaten akzeptieren wollen, daß zum Schutz vor HIV/Aids nicht nur Abstinenz, sondern auch Kondome zulässig sind.

In nächtlichen Sitzungen wird um die Frage gekämpft, ob Frauen „Menschenrechte“, „universelle Menschenrechte“ oder „universell akzeptierte Menschenrechte“ haben. Diese auf den ersten Blick merkwürdige Debatte entpuppt sich als eine der Schlüsselfragen der Konferenz: Regierungen wie des Iran oder des Sudan wollen erreichen, daß eine möglichst abgeschwächte Formulierung gewählt wird. Sie wollen die Rechte der Frauen unter dem Vorwand von Kultur, Religion oder lokalen Sitten und Gebräuchen beschneiden. Jutta Lietsch