Bevor die Flüchtlinge vor der Kirchentür stehen

■ Alles übers Kirchenasyl / Jetzt erschienen: Ein Leitfaden für Gemeinden

Im letzten Jahr gab es eine Premiere: Zum ersten mal haben zwei Bremer Kirchengemeinden Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt. Die eine bot in Walle einer zairischen Familie Schutz vor der drohenden Abschiebung. Die andere in Grohn einer syrischen. (taz vom 25.6.94) In beiden Fällen waren die Familienväter in ihrem Heimatland massiv bedroht. Die Kirchenleute hatten nur ein Ziel: Die Abschiebebürokratie aufzuhalten, Einzelfallprüfungen zu bewirken. Und sie hatten Erfolg: Beide Familien konnten bleiben, nachdem ihre Fälle noch einmal aufgerollt worden waren. Nun hat die evangelische Erwachsenenbildung einen Leitfaden für das Kirchenasyl herausgegeben. Alles über den Schutz von Flüchtlingen, wie sich Gemeinden auf einen schwierigen Prozeß einrichten können und wie man der Bürokratie beikommt.

Dabei müssen sich die AsylgewährerInnen in spe erstmal um sich selber kümmern: Die Gemeinde muß Informationen über Flüchtlinge in ihrem Sprengel einholen, muß den Kontakt zu Kirchengemeinden suchen, die bereits ein solches Asyl gewährt haben, und nicht zuletzt will die organisierte Christenheit selbst überzeugt sein. Es sollte eine Diskussion im Kirchenvorstand geben, um die anderen für die Situationen der einzelnen Flüchtlingsschicksale zu sensibilisieren, wird in der Broschüre vorgeschlagen. Schließlich muß der Kirchenvorstand ordentlich absegnen, wenn die Gemeinde mit der Bürokratie in den Clinch gehen soll. Zudem hat die breite innerkirchliche Debatte ganz praktischen Fragen im Hintergrund: Kirchenasyl geht nur mit erheblichem persönlichem Einsatz der Gemeinemitglieder.

Wenn sich die Gemeinde erst einmal entschlossen hat, Asyl zu gewähren, dann bietet die Dokumentation eine ganze Reihe praktischer Tips. Die kommen samt und sonders aus den Erfahrungen anderer Gemeinden, die bereits Asyl gewährt haben. Wichtig ist zum Beispiel für die Flüchtlinge, daß sie gerade in der isolierten Situation des Kirchenasyls einen Tagesrhythmus beibehalten können. Und den muß die Gemeinde organisieren: regelmäßige Beschäftigungen, feste Zeiten für das Essen, eventuell täglicher Sprachunterricht zur immer gleichen Zeit.

Was für die Erwachsenen gilt, das gilt für die Kinder erst recht. Auch das stellt die Gemeinde vor organisatorische Probleme, manchmal scheitern die besten Absichten an kleinen Pannen. Da ist die Broschüre ganz so gestrickt wie die Ratgeber fürs Kofferpacken vor der Urlaubsreise. Bloß nicht die Zahnbürste vergessen, soll heißen: Für Freiwillige, die bei der Kinderbetreuung helfen wollen, muß ein Plan geschrieben werden, der regelt wer zu welcher Zeit im Einsatz ist, die müssen sich untereinander koordinieren usw, usf. Und so geht es weiter: Von der Einrichtung eines Asyl-Bankkontos – auch für Spenden – über die Organisation des Wäschewaschens bis hin zu strafrechtlichen Aspekten.

Das Kirchenasyl scheint dabei ganz und gar eine ökumenische Angelegenheit zu sein. Herausgeber ist die Evangelische Erwachsenenbildung, doch das hindert Adel Lankenauer, den Pfarrer der katholischen Grohner Gemeinde keineswegs daran, seine Erfahrungen in die Broschüre zu schreiben. Eine Erfahrung hat Lakeberg vor allem gemacht: Kirchenasyl will gut vorbereitet sein, „bevor die Flüchtlinge auf der Schwelle der Kirche stehen“. Herausgeber: Evangelische Erwachsenenbildung, Archivstr.3, 30169 Hannover; ab