Kommentar
: Verschwiemelt

■ „Fall Pflugradt“ wird zum Fall Pflugradt

Nachdem der Weser-Kurier den CDU-Abgeordneten Helmut Pflugradt als denjenigen geoutet hatte, in dessen Haus mit großer Wahrscheinlichkeit eine Vergewaltigung stattgefunden habe, da war die Empörung groß. Zu recht. Denn kein Gericht hatte bis dato Pflugradt verurteilt. . Er war noch nicht einmal vernommen worden. Und so lange hat allemal die Unschuldsvermutung zu gelten. Auch und gerade wenn der Beschuldigte in der Öffentlichkeit steht.

So weit, so richtig. Doch die Geschichte war nunmal raus, und spätestens da hätten alle alles an die Aufklärung setzen müssen. Seitdem sind allerdings schon wieder Wochen vergangen, Wochen voller wilder Spekulationen und tröpfchenweiser Informationen und gezielter Indiskretionen. Die Geschichte wird immer unerträglicher.

Die eine Hälfte der Kritik an der schleppenden Aufklärung geht dabei voll an die Strafverfolgungsbehörden. Schließlich geht es nicht um ein Kavaliersdelikt. Die zweite Hälfte geht aber an Pflugradt selbst, der alles tut, nur nicht Klartext redet. Genau das wäre aber jetzt angesagt, zu seinem eigenen Schutz und, nicht zu vergessen, zur Aufklärung einer schweren Straftat. Was kommt, ist ein verschwiemeltes Halbdementi. Vom Opfer einer halbgaren Veröffentlichung mutiert er zu einem, der viel zu wissen scheint, aber einiges verschweigt. Der „Fall Pflugradt“ wird zum Fall Pflugradt.

Jochen Grabler