Nach Atom-Demo gab es „ungenügend“

Nach der massenhaft besuchten SchülerInnen-Demo gegen die Atomtests wollen einige Schulen das Engagement der Kids bestrafen. Lob von SPD-Spitzenkandidatin Stahmer  ■ Von Heike Blümner

„Wir sind die nächste Generation. Wenn heute Atomtests gemacht werden, können die Waffen später auch eingesetzt werden“, sagt die 17jährige Jana Reins. Mit ähnlichen Ängsten gingen am letzten Donnerstag rund 14.000 SchülerInnen auf die Straße. Nun schlägt die Schule zurück: Von „Leistungsverweigerung“ und „Schuleschwänzen“ ist die Rede, was bestraft werden müsse. Die Palette der Druckmittel reicht von Eintragungen ins Klassenbuch wegen unentschuldigter Fehlstunden bis hin zu einem rigorosen „ungenügend“ bei versäumten Klassenarbeiten.

An einigen Schulen liegen noch keine offiziellen Reaktionen auf die Fehlstunden wegen außerschulischen, politischen Engagements vor. In Zehlendorf beispielsweise wollen sich die Schulen des Bezirks auf eine gemeinsame Reaktion auf die Demonstration einigen. „Ich würde mich nicht wundern, wenn es noch Tadel hagelt“, sagt Jan Kellermann (19) vom Zehlendorfer Schadow-Gymnasium. Schließlich sei dies zu Zeiten des Golfkriegs Anfang 1991 auch nicht anders gewesen.

Die Reaktion der Lehrer an seiner Schule zu den Ereignissen der letzten Woche sei „gespalten“. Im Poltische-Weltkunde-Unterricht habe man über „den Sinn und Zweck von Demonstrationen“ debattiert. Dabei sei von Lehrern aber auch die These vertreten worden, daß Demonstrationen „ein willkommener Anlaß zum Schuleschwänzen“ seien. Über die Hintergründe der Atomwaffentests sei im Unterricht jedoch nicht gesprochen worden.

„Wir hatten gar nicht damit gerechnet, daß die Demonstration ein solcher Erfolg wird“, sagt Sheary Bleiber (17). Sheary besucht die Sophie-Scholl-Schule in Schöneberg, die die Demonstration vom letzten Donnerstag mit organisiert hatte. Zwar werden die SchülerInnen auch an ihrer Schule mit unentschuldigten Fehlstunden für ihre Eigeninitiative belohnt, aber das findet Sheary „nicht so schlimm“.

Wirklichen Ärger gab es an ihrer Schule bisher nicht. Manche Lehrer hätten sogar bedauert, daß sie nicht mit demonstriert hätten. Das Interesse der SchülerInnen an den Atomtests sei auch deshalb so groß gewesen, weil im Unterricht sowohl über die physikalischen als auch die politischen Aspekte der Kernenergie gesprochen worden sei.

Während einige Lehrer gerne den Rotstift zücken würden, gibt es von seiten der Politik auch Lob für die Aktionen der SchülerInnen. Sybille Volkholz, bildungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, lobte die „Zivilcourage“ der SchülerInnen. Dazu gehöre allerdings auch, unentschuldigte Fehlstunden als „Zeichen des Protests“ hinzunehmen.

Sie sprach sich allerdings nachdrücklich dagegen aus, SchülerInnen, die wegen der Demonstration eine Klassenarbeit versäumt hätten, mit einer „Sechs“ zu bestrafen. Die SchülerInnen sollten auf jeden Fall die Möglichkeit haben, die Klassenarbeiten nachzuschreiben, vertritt Volkholz.

Am morgigen Donnerstag wird auf dem Alexanderplatz um acht Uhr abends eine Aktion der Initiative „Kids for Future“ gegen die Atomtests stattfinden. Gegen diese Zeit dürfte dann selbst der griesgrämigste Lehrer nichts mehr einzuwenden haben. Unterstützung gibt es von Jugendsenatorin Ingrid Stahmer. Sie sei „beeindruckt vom Engagement der Jugend“.