■ Schleudern, Rumpeln und Kreischen:
: Doris dreht durch

Meine Waschmaschine ist bockig. Im Schleudergang heult sie wie ein sterbender Ferrari, und dauernd versucht sie, sich von ihren Schläuchen loszureißen. „Wie alt?“, fragte die Telefontante vom Service, „zwölf Jahre?“. Und kicherte.

Anderntags kam ein junger Mann mit Schnurrbärtchen und Gel im Haar. Er pfiff die Filmmelodien zu „Dr. Schiwago“ und erinnerte tatsächlich ein bißchen an Omar Sharif. Als er seine Jacke aufhängte, brach der Haken aus der Wand. Er starrte vorwurfsvoll das Loch an und sagte: „Das sollten Sie aber mal machen lassen. Ham Sie Kaffee?“

Ich beeilte mich. „Ohne Kaffee keine Action“, sagte er, „Sie können die Kanne gleich dalassen.“ Er schaute sich um. „Schön ham Sie's hier“, stellte er fest, und beim Nachschenken fiel ihm die Thermoskanne aus der Hand, man hörte im Innern das Glas brechen. „Sie stehen auf modern, was?“ Ich wischte die Brühe vom Boden und warf das teure Teil in den Müll. „Na“, sagte er und rieb sich die Hände wie Dr. Brinkmann, „dann woll'n wir mal.“

Meine Waschmaschine steht im Bad. Es ist ein klein wenig eng da, aber man kommt durch. „Ach“, sagte er, und ein paar Kosmetika kollerten vom Regal, als er das nicht in der Wand verdübelte Gestell mit der Schulter rammte. „Sie haben so'n Zahnputz-Center, nicht schlecht die Dinger, aber haben auch Schwachstellen, sehen Sie mal hier.“ Er riß eine Elektrobürste aus der Halterung und fingerte den Schieber ab, „da sitzen Milliarden Milben drunter, wußten Sie das?“ Er bedachte mich mit einem unmenschlichen Lächeln, „ist 'ne reine Brutstätte für die Viecher, die sind ganz spitz auf Ihr Zahnfleisch.“ Er juckelte den Schieber wieder drauf, es knackte, und er fiel ab. „Altes Modell“, sagte er nachsichtig, „mit Ersatzteilen ist ja nichts mehr bei den Japsen. Ach, da ist ja das gute Stück.“ Er hatte die Waschmaschine entdeckt und beäugte sie lang und kritisch. „Zu sehen ist nichts“, stellte er fest. „Sie geht ja auch noch“, sagte ich lahm. „Ach“, sagte er mit einem Anflug von Interesse, „und warum holen Sie mich dann?“ Ich erzählte ihm was von Schleudern, Rumpeln und Kreischen. Er hörte aufmerksam zu. „So“, meinte er, „sie kreischt. Und das soll sie wohl nicht, oder?“ Es war plötzlich ganz still in meinem Badezimmer. Ich hörte den Wasserhahn tropfen, plitsch- plitsch. Eine fremde Stimme ertönte, es konnte nicht meine sein, sie klang gequetscht: „Ich dachte, Sie könnten mal...“ „könnten mal?“, sagte er, „nachschauen“, sagte ich, „nachschauen?“ Es war wie im Zillertal. Er riß die Tür auf und steckte den Kopf in die Trommel. „Okay?“, fragte er dumpf, „is okay so?“ „Brauchen Sie Werkzeug?“, fragte ich. „Was?“, fragte er. Ich: „Instrumente“. „Instrumente?“, fragte er. Er kam wieder hoch und schaute mich nachdenklich an. „Ham Sie mal 'n Kuli?“, fragte er dann. Ich besorgte ihm einen. Damit stocherte er in einem Löchelchen an der Frontseite herum. Es zischte und qualmte. Und als er den Stift wieder rausbekam, war die Spitze ganz weggeschmolzen. „Sehen Sie mal“, sagte er traurig. „Was? Was denn?“, fragte ich, mein Mund war ganz trocken. Er schaute mir direkt in die Augen. „Das gute Stück“, seine Stimme war jetzt ganz sanft, „können Sie vergessen, voll Schrott, das Ding.“

„Aber eben lief sie doch noch“, schrie ich empört. „Korrekt“, sagte er, und sein Ton war jetzt der eines Erwachsenen, der zu verblödeten Kindern spricht, „ja, sie lief. Aber jetzt läuft sie nicht mehr. Das ist ein Unterschied, verstehen Sie? Jetzt nicht mehr. Und sie wird auch nicht mehr laufen in der Zukunft. Sie wissen, das ist morgen oder übermorgen zum Beispiel.“

Wie ich ihn wieder aus meiner Wohnung bekam, weiß ich nicht mehr. Es gibt Schleifspuren im Flur und ein paar Haarbüschel in Gelee kleben am Teppich, mein Bücherregal scheint an der Seite angebrochen, und an der Tür ist die Vase für die Schirme hin. Ich weiß nur, ich habe ihn unten im Treppenhaus wieder „Dr. Schiwago“ pfeifen hören, immer nur den Anfang, den Mittelteil hatte er wohl nicht drauf.

Nette Geschichte?

In Wirklichkeit war's so: Da kam dieser Typ, und er fuhr genau diese Omar-Sharif-Nummer, aber für Arme, und er stieselte gleich ins Bad, und im Handumdrehen hatte er mein halbtotes Maschinchen endgültig gekillt mit seinem dämlichen Kuli, zisch-brumm, das war's dann und 120 (einhundertzwanzig) Mark bar auf die Kralle (wegen der „langen Anfahrt“), zwei, drei Minuten die ganze Geschichte.

Und erst als er weg war, trat mir der Schaum vor den Mund, und die Kanne, die Vase, das Bücherregal, das war ich – du idiotische Kuh! Läßt dich abkochen von diesem Vorstadt-Caruso! Und wenn es nicht so eklig wehgetan hätte, hätte ich am liebsten die ganze Wohnung zerlegt. Nur die Garderobe, die fiel plötzlich ganz von allein aus der Wand mit dem ganzen Schmodder. Und jetzt stehe ich und starre auf das Loch und verfluche mich für meine Feigheit. Und das einzige, was mich jetzt rettet, ist ein schöner, großer, eiskalter Martini. Ich werde ihn mir mixen in dem Zwei-Liter-Einmachglas, in dem das Pflauenmus meiner Mutter drin war. Doris Becker