Die Sonne schlägt zurück

■ Das Ozonloch über der Antarktis ist jetzt so groß wie Europa. Die Hautkrebsgefahr hat sich verdoppelt

Berlin (taz/epd) – Leute, holt die Kinder rein, jetzt kommt der wahre Sonnenschein! Zumindest in Australien muß den Abendnachrichten künftig wieder ein lebenswichtiger Strahlenhinweis vorangestellt werden. Das Ozonloch über der Antarktis hat neue Rekordausmaße erreicht und ist mit zehn Millionen Quadratkilometern doppelt so groß wie im Vorjahr, so groß wie ganz Europa.

Was noch beunruhigender ist: Nach Auskunft der World Meteorological Organisation (WMO) in Genf ist die Zerstörung der schützenden Ozonschicht noch nie so schnell erfolgt wie diesmal. Mit 30 bis 35 Prozent weniger Ozon im August sei über dem Südpol ein neuer Rekord der letzten vierzig Jahre erreicht worden, sagte der WMO-Sonderberater Rumen Bojkov. Jedes Prozent weniger Ozon in der Atmosphäre bedeutet zwei Prozent mehr gefährliches, erbgutveränderndes ultraviolettes (UV-)Licht auf der Erde.

Die Ozonschicht schützt Pflanzen, Tiere und Menschen vor schädlichen UV- Strahlen der Sonne. Schäden entstehen vor allem, wenn Mensch und Tier über längere Zeiträume der Strahlung ausgesetzt sind. Auch über Europa und Nordamerika habe, so Bojkov, die Ozonschicht in den vergangenen Jahren bereits um bis zu zehn Prozent im Vergleich zu den 60er Jahren abgenommen. Nach Angaben des Ozonexperten hat sich dadurch die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken, verdoppelt.

Die extrem schnelle Ozonzerstörung führt der Wissenschaftler vor allem darauf zurück, daß die Konzentrationen der sogenannten Treibhausgase wie FCKW in der Atmosphäre immer noch zunehmen. In den achtziger Jahre hatten Chemiefirmen wie der Frankfurter Hoechst-Konzern, Du Pont aus den USA oder die britische Firma ICI zusammen jährlich mehrere hunderttausend Tonnen des ozonkillenden FCKW als Kühlmittel für Auto-Klimaanlagen und Kühlschränke sowie als Reinigungsmittel hergestellt. Die kommen heute in der Stratosphäre in 15 bis 18 Kilometer Höhe an und tun ihr Zerstörungswerk. Mitschuldig an der Zerstörung der Ozonschicht ist auch der stetig zunehmende Flugverkehr. Für bis zu 30 Prozent der Ozonzerstörung sollen die in der Stratosphäre fliegenden Jets inzwischen verantwortlich sein.

Auch wenn die Produktion von FCKW heute in den meisten Industrieländern gestoppt oder reduziert würde, werde der Höhepunkt der Ozonzerstörung erst zum Jahr 2000 erreicht. Eine Neubildung der Ozonschicht wird erst für die Jahre 2050 bis 2070 vorhergesagt. Sollten sich die Staaten allerdings nicht an ihre im sogenannten Montreal-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen zum Produktionsstopp der schädlichen Substanzen halten, wird die Zerstörung der Ozonschicht weiter voranschreiten. Rußland habe bereits angekündigt, seine Verpflichtungen nicht einzuhalten.

Der WMO-Experte wies auch darauf hin, daß ohne Verabschiedung des Montrealer Protokolls schon jetzt die UV- Strahlung um 30 Prozent statt um 15 Prozent zugenommen hätte. Die Vereinten Nationen haben den 16. September zum Internationalen Tag zum Schutz der Ozonschicht erklärt. Am 16. September 1987 war das Montrealer Protokoll unterzeichnet worden. Im Dezember wollen sich die 149 Vertragsstaaten des Protokolls in Wien über weitere Verschärfungen verständigen. Verhandlungen darüber Ende August in Genf endeten allerdings ergebnislos. ten