Urmenschliche Feuerfaszination

■ Kampnagel startet mit Kain Karawahns Pyromödie Feuerfrei in die neue Spielzeit

Allein der Urknall wird fehlen. Fulminant flammenreich inszeniert der Berliner Feuerkünstler Kain Karawahn sein Spektakel zur Eröffnung der neuen Kampnagel-Saison. Feuerfrei lautet das Motto der zehn Entzündungen, die die zwiespältige Beziehung zwischen Mensch und Feuer darstellen sollen. Im Unterbewußtsein jedes einzelnen, so Karawahn, verberge sich eine urmenschliche Feuerfaszination, die noch in der Alltagssprache in Form von feuerträchtigen Metaphern erhalten sei. Heutzutage sei das Feuer für den Stadtmenschen mit Ängsten belegt, es irritiere ihn.

Erst war das Feuer, Vulkane loderten – dann kam der Mensch. Er findet einen Weg, um selbst Feuer zu erzeugen. Doch bald bringen sogenannte „Blindgänger“ das Feuer fort, flüchten in eine „Brandenburg“. Die Außenwelt attackiert die Festung: mediales Feuer, „Pyrokalypsen“, und ein Feuersäuger bestürmen die Brandenburg.

Eine Vielzahl von Gästen mischt mit: Rica Blunck (COAX) tanzt, Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten spuckt „Feuertöne“ aus der Konserve, die Freiwillige Feuerwehr Bramfeld schmettert die Angriffe ab, und Rolf Baumgart steuert eine Komposition bei. Auch der Berliner Aktionskünstler Käthe Be spielt mit, der mit seiner Aktion Öffentliches Wohnen in Berlins Hackeschen Höfen ein gewaltiges Medienecho ausgelöst hat.

Vor zwölf Jahren entflammte Kain Karawahns Leidenschaft für das lodernde Element. Sein in Anlehnung an Descartes formuliertes Credo „Es brennt, also ist es“ setzte der Mittdreißiger ein Jahr später an der Berliner Mauer um, als er dort fackelte. Zahlreiche Feuer-Porträts, Installationen und Videoarbeiten folgten. Inzwischen ist Karawahn auch international bekannt: Seine Videoarbeiten gingen bereits mit dem Goethe-Institut auf Weltreise. In New York sowie auf Festivals in Cleveland, Aberdeen und Graz zeigte Karawahn seine Feuerprojekte. An der Berliner Volksbühne führte der Künstler 1994 seine Produktion Angeklagt auf.

Die Begeisterung für das Element, dessen Besitz schon in der antiken Mythologie zum Zankapfel zwischen Menschen und Göttern wurde, ist für den Feuerkünstler mit der Frage nach dem Sein verknüpft: „Feuer ist nicht nur Flamme, nicht nur Sprache, sondern Existenzbedingung des Menschen.“ In einem Zeitalter, in dem das Leben immer schneller werde, könne die elementare Kraft des Feuers den Bezug zur Wirklichkeit wiederherstellen: „Wo Feuer ist, wo Licht und Wärme sind, da ist auch Realität“, behauptet Karawahn.

Konnten sich in vergangenen Jahrhunderten nur Monarchen samt Gefolge am Feuerwerkstheater berauschen, fackelt Kain Karawahn dieser Tage seine Botschaft „Materie brennt zum Energieaustausch“ für alle ab, die eine Eintrittskarte ergattert haben.

Ute Brandenburger 14. bis 17. September, jeweils 21 Uhr, Kampnagel