Ganz unweinerlicher Biß

■ Borcherts Draußen vor der Tür in der Inszenierung von Ulrich Waller hat Mittwoch Premiere in den Kammerspielen / Ulrich Tukur in der Hauptrolle

Mit einer klugen, beinahe ergebenen Geste, weist die neue Leitung der Hamburger Kammerspiele auf eine Zeit vor knapp 50 Jahren zurück: Draußen vor der Tür hat am Mittwoch hier Premiere. Vor 48 Jahren wurde das Kriegsheimkehrer-Drama – „ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“, so Autor Wolfgang Borchert – in den Kammerspielen uraufgeführt. Zur Eröffnung der neuen Spielzeit haben Ulrich Waller und Ulrich Tukur dieses Stück ins Programm genommen.

Klug ist die Geste, weil sie damit dem hohen schauspielerischen Niveau der Darsteller den Rücken freihält für weitere ernsthafte Aufführungen. Ergeben insofern, als sie sich damit in die Tradition des Hauses stellen, die abzubrechen bedauerlich wäre. Es ist zu hoffen, daß der Blick zurück nach vorne weist. 1946 hat Borchert Draußen vor der Tür dem Kammerspiele-Schauspieler Hans Quest gewidmet; die Uraufführung erlebte er nicht mehr.

Noch vor 20 Jahren gehörte das bedrückende Zeugnis über den Kriegsheimkehrer Beckmann zur Pflichtlektüre in jedem Gymnasium. Kein anderer Text konnte so konzentriert-sezierend die Achtlosigkeit des Themenwechsels von Krieg zu Frieden erfassen und die Befindlichkeit einer Generation wiedergeben, die an den mit Blut vollgesogenen Frieden nicht glauben mochte. Draußen vor der Tür beschreibt das Lebensgefühl der Nachkriegs-Generation, die versuchte, sich mit der Verlogenheit der Eltern zu beschäftigen und dahinter zu schauen. Das ist inzwischen Geschichte, die heutige Gesellschaft macht sich damit nicht mehr bange.

Dieser Tatsache trägt die neue Inszenierung Rechnung. Sie greift zur Form der Moritat, um das Schauerlich-Entsetzliche sichtbar zu machen. Die Akzente werden verschoben. In verschieden-verschachtelten Erzählebenen irrt Beckmann durch das Schlachtfeld des Lebens. „Das bekommt dann etwas entsetzlich Komisches, im wahrsten Sinne des Wortes“, sagt Tukur. Bühne und Kostüm bedienen sich der Requisiten einer Straßentheatertruppe, die die Schauplätze schnell wechseln lassen und für raffinierte Effekte sorgen kann.

„Wir beziehen uns bei unserer Arbeit ja mehr auf die Kammerspiele der 20er Jahre, als Autoren wie Wedekind hier waren, die in sich die beiden Seelen Unterhaltung und Ernst trugen“, umspannt Ulrich Waller den Traditionsbogen. Mit einer hochkarätigen Besetzung – Tukur in der Hauptrolle, sowie Gerhard Garbers und Pamela Knaack – hat das Schauspiel gute Chancen, sich beim Publikum durchzusetzen. „Das Stück brauchte eine gute Idee, und ich glaube, wir können es aus diesem deutschen Larmoyanzsumpf bewegen“, beschreibt Tukur die Wahl der Mittel.

Der grelle Wahnwitz, der hinter der Beiläufigkeit einer Moritat versteckt liegt, kann diesem Klassiker zu ganz unweinerlichem Biß verhelfen und zu einem neuen Blick auf unsere Vergangenheit. Nur zu: Geschichte wird gemacht. Es geht voran. Elsa Freese 14. bis 30. 9. (außer montags), Kammerspiele