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KommentarLähme

■ Die Staatsanwaltschaft braucht Druck

Die Bremer Politik scheint im Tiefschlaf zu liegen. Da verkündet ein leibhaftiger Staatsanwalt gegenüber der Presse, daß er den Fall der möglichen Vergewaltigung im Hause des CDU-Abgeordneten Pflugradt deshalb nicht so intensiv verfolgt habe, weil ja schließlich Wahlen vor der Tür gestanden hätten – und wo bleibt der öffentliche Aufschrei? Bis heute hat niemand im politischen Raum diese Ungeheuerlichkeit aufgegriffen und den Staatsanwalt gerüffelt. Nein, eben jener Staatsanwalt wurde über die Zeit sogar noch Staatsrat, ohne daß es irgendjemanden gestört hätte.

Auf den ersten Blick mag das ja noch ein wenig sympathisch sein. Schließlich wollte niemand etwas mit einer möglichen Vorverurteilung in einer undurchsichtigen und irgendwie unappetitlichen Geschichte zu tun haben. Aber Zurückhaltung ist langsam obsolet. Sie könnte aufgegeben werden. Die politische Lähme könnte sich langsam lösen. Es wäre ein Segen, ein Segen im Sinne der Wahrheitsfindung. Denn bei aller berechtigten Furcht, zu früh und öffentlich in ein schwebendes Ermittlungsverfahren einzugreifen – das Ermittlungsverfahren scheint doch nur dann zu laufen, wenn den Ermittlern Beine gemacht werden, wenn der öffentliche Druck groß genug ist. Das ist für die Reputation der Justiz eine Katastrophe. Wenn das kein Grund zum Aufwachen ist.

Jochen Grabler

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