: Vietnamese wohnt jetzt im Auto
Die Auflösung der Wohnheime in der Rhinstraße läuft weniger reibungslos als angenommen. Vier Mieter klagen. Die Arwobau wirft dem Verein „Reistrommel“ Hetze und Panikmache vor ■ Von Kathi Seefeld
Im Zusammenhang mit der Räumung der Wohnheime in der Lichtenberger Rhinstraße erwirkten in der vergangenen Woche vier vietnamesische Mieter eine einstweilige Verfügung. Sie werfen der Wohnungsbaugesellschaft Arwobau vor, daß geltendes Mietrecht verletzt wird, wenn Zimmer „zum vorübergehenden Gebrauch“ mit Kündigungsfristen von vier Wochen vermietet werden. Bis zur Klärung des Problems sollten die Vietnamesen ihre Zimmer im bereits leergezogenen Haus C vorerst weiter nutzen können. „Zugang erhielten die Betroffenen jedoch nicht“, berichtet Tamara Hentschel von der Initiative „Reistrommel e.V.“ Die Arwobau habe alles vergittert, die Vietnamesen mußten zu Freunden ziehen.
„Bislang ist uns noch nichts Schriftliches zugegangen“, erklärt dagegen Gerd Neubert, Ausländerbeauftragter der Arwobau. Neubert kritisierte, daß der Verein Reistrommel die Betroffenen zu einem Rechtsstreit „geradezu überredet“ habe. In einem der vier Fälle handele es sich, so Neubert, seines Wissens nach um einen Vietnamesen, der bereits seit vier Monaten bei einem Landsmann lebt. Zwei Kläger hätten ab April selbst keine Miete mehr gezahlt, die Beträge wurden durch Dritte beglichen. Ein Zimmer sei zudem zweckentfremdet für den Gemüsehandel genutzt worden.
Neubert hält die ganze Aufregung um die Schließung der Wohnheime für unangemessen. „Es entsteht der Eindruck, die Leute würden aus dem Heim in die Perspektivlosigkeit entlassen.“ Dem sei nicht so. Im Wohnheimobjekt in der Gehrenseestraße stünden beispielsweise noch ausreichend Zimmer bereit für alle legalen Mieter der Rhinstraße, die bislang nicht mit Wohnraum versorgt werden konnten.
Tamara Hentschel von der Reistrommel will den Vorwurf, der Verein habe aus Profilierungssucht vietnamesische Mieter aufgehetzt, nicht gelten lassen. „Die Heimbewohner haben es aus verschiedensten Gründen nicht leicht, ihre Interessen durchzusetzen.“ So habe Reistrommel bereits bei der Schließung der ersten Arwobau- Heime in der Havemannstraße feststellen müssen, daß etliche Mieter noch wenige Tage vor dem Auszugstermin nicht gewußt hätten, wohin sie gehen könnten. Die beim Büro der Ausländerbeauftragten Berlins eigens eingerichtete Stelle zur Hilfe bei der Wohnungssuche kannten die wenigsten. Auch der bei der Wohnungssuche Erfolg verheißende „Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit“ blieb für viele nur ein Traum.
Tamara Hentschel berichtete über den Fall eines ehemaligen Vertragsarbeiters, der seit Jahren mit einer Asylbewerberin zusammenlebt und mit ihr gemeinsame Kinder hat. Die Frau wohnte sozusagen illegal mit im Wohnheim. „Der Mann gilt nach dem Gesetz aber als Single, auf eine ausreichend große Wohnung für sich und seine Familie hat er keinen Anspruch, statt dessen durfte er mit seiner Familie mittlerweile dreimal von einem Heim, das geschlossen wurde, ins nächste umziehen.“ Den vierten Umzug in das Wohnheim Gehrenseestraße wollte der in Schichten arbeitende nun nicht mehr mitmachen, zumal ihn Frau und Kinder als Asylbewerber aufgrund der dort geltenden Wachschutzbestimmungen lediglich hätten besuchen können. „Er schläft vorläufig im Auto“, so Tamara Hentschel. Der Lebensgefährtin blieb nur die Rückkehr ins brandenburgische Asylbewerberheim, in dem sie formal gemeldet ist.
Sozialamt wird gemieden
Das Problem des „WBS mit Dringlichkeit“ gilt im Zusammenhang mit dem Leerzug der Rhinstraße mittlerweile als erkannt. Lichtenbergs Sozialstadträtin Ellen Homfeld versicherte, daß diesbezüglich nichts unversucht gelassen wird. „Unterstützung gibt es zum Beispiel von der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg, aber auch von privaten Hauseigentümern.“ So habe ein Bauherr angeboten, sein gesamtes Haus mit zehn modernisierten Wohnungen an ehemalige Vertragsarbeiter zu vermieten. Probleme gäbe es lediglich, wenn den Vietnamesen Wohnungen mit Ofenheizung angeboten werden. „Kohleofen sind ihnen einfach unbekannt.“
Daß einige der Heimbewohner „sogar Neubauwohnungen in Hellersdorf abgelehnt hätten“, ist für Arwobau-Mitarbeiter Gerd Neubert vollkommen unverständlich. Auch hier habe die Reistrommel mit ihrem „Gerede von überteuerten Mieten“ die Bemühungen der Arwobau zunichte gemacht. „Wir wären mit den Mietern zum Sozialamt gegangen, hätten eine Mietübernahmebestätigung beantragt.“ Doch gerade um das Sozialamt machen die meisten ehemaligen VertragsarbeiterInnen einen großen Bogen.
„Garant für ihr Bleiberecht“, so Tamara Hentschel, „ist nämlich nicht der Bezug von Sozialhilfe, sondern ein gesicherter Lebensunterhalt, Arbeit und eine bezahlbare Miete.“
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