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: Spät, aber nicht zu spät

„Transit“ zu Moruroa, Dienstag, 20.40 Uhr, arte

Als Helmut Kohl und François Mitterrand vor fünf Jahren den deutsch-französischen Kulturkanal arte aus dem Ärmel schüttelten, nannte die Pariser Zeitung Libération den Sender einen „politischen Bastard“. Diese Bezeichnung ist nicht korrekt: In diesen Tagen erwies sich arte als äußerst unpolitisch. Viel zu spät, nämlich in aller Ruhe in der Woche nach dem Beginn der Atomtests, wurden diese endlich zum Thema: in dem Reportage- Magazin „Transit“.

Die Verzögerungstaktik hat Gründe: Anders als in Deutschland, wo der arte-Obolus fester Teil der Rundfunkgebühren ist, sitzt in Frankreich die Regierung am längeren Hebel. Sie muß die Zuwendungen in Höhe von umgerechnet rund 270 Millionen Mark von Jahr zu Jahr neu beschließen. Andererseits ist nicht jeder Franzose automatisch auch Atom-Hallodri; arte hätte also, mit Hinweis auf die (vermuteten) Mehrheiten in beiden Staaten, eine einmalige Chance der Vermittlung zwischen Deutschland und Frankreich.

„Transit“ hat diese Chance nur halb genutzt: Die Studiodiskussion beschränkte sich auf die Wiederholung jener Argumente, die nun wirklich jeder kennt, der mehr als nur oberflächlich Zeitung gelesen hat. Zunächst schien das Gespräch einen deutlichen Verlauf zugunsten der Testgegner zu nehmen, dank Neuseelands Premierminister James B. Bolger; der allerdings muße sich kurz darauf aus der Runde verabschieden, weshalb Charles Millon, der französische Verteidigungsminister, das Feld danach weitgehend für sich hatte. Zwar fand er in Paul Quilès, seinem Vorgänger im Amt unter Mitterrand, einen kompetenten Widerpart, doch aus Deutschland hatte arte ausgerechnet Friedbert Pflüger, den abrüstungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, geladen – und der formulierte brav all jene Argumente, die nicht einmal mehr Millon bemühen wollte: Was wäre, wenn in Moskau, im Irak, in Algerien...

Ganz anders als die Diskussion, die von „Transit“-Chef Pierre Thivolet fast ängstlich, jede Provokation vermeidend, moderiert wurde, waren dagegen die Reportagen: Hier kamen, abgerundet durch ein faires Greenpeace-Porträt, ausschließlich internationale Atomgegner zu Wort. Insofern hat sich arte also doch was getraut. Und am Donnerstag wird noch einmal nachgelegt: mit einem Themenabend. Tilmann P. Gangloff