Diplomatie versus „Götterfunken“

■ betr.: Berichterstattung zu den Auseinandersetzungen in Ex-Ju goslawien

Geahnt haben wir's ja schon immer – nun wissen wir's endgültig: Bomben schaffen Frieden! Wie „Götterfunken“ erschienen die der Nato der moslemischen Bevölkerung in Sarajevo. Wer will es ihr nach Jahren des Granatenterrors verdenken?! Daß dieselben mitnichten der Funke sein konnten, welcher das „Pulverfaß Balkan“ zum endgültigen Explodieren bringen könnte, war auch den „Göttern“ in UNO und Nato klar. Ohne die schreckliche Tatsache des Mordes an 37 Menschen abschwächen zu wollen, stellt sich mir doch die Frage, warum es gerade diese 37 Menschen waren, die das diplomatische Faß zum Überlaufen brachten, obwohl mehr als 10.000 Tote vorher dies nicht vermochten.

Könnte es nicht sein, daß die serbische Granate auf Sarajevos Marktplatz und die Bereitschaft von Herrn Milošević, an den Friedens- und Aufteilungsverhandlungen teilzunehmen – diesmal mit seinem bosnisch-serbischen (von kroatischen „Argumenten“ überzeugten) Kumpanen Karadžić im Gefolge –, in ihrer annähernden Gleichzeitigkeit einen Glücksfall für die Freunde militärischer Friedenspolitik darstellten? [...]

Leider sind die wirklichen Nutznießer dieser Aktion weder in Sarajevo noch im übrigen Bosnien zu finden. Der Friede dort wird hoffentlich auf dem Verhandlungswege erreicht werden. Doch auch die Bomben sorgen für Frieden – bei denen, die sie herstellen und verteilen! Michael Dorsch, Göttingen

Freimut Duve hat im wesentlichen recht, wenn er sagt, „der zivile Friede ist nur dort zu schaffen, wo es ein ziviles überreligiöses Recht und übervölkisches Rechtssystem gibt ...“ Richtig ist auch, daß die Religionsgruppen in Bosnien „historisch, ethnisch und der Sprache nach“ enger verwandt waren als beispielsweise „die Bantustans“ Südafrikas. Deshalb wendet sich Duve gegen Friedenspläne, die auf eine Teilung Bosniens hinauslaufen, weil dies ein Nachvollzug der ethnischen Säuberung bedeute. Man fragt sich allerdings unwillkürlich, warum sich Duve und die anderen Anhänger der anti-nationalen Zivilisationsidee nicht genauso vehement gegen die Teilung Jugoslawiens gewandt haben, um in Gesamt-Jugoslawien ein „ziviles überreligiöses und übervölkisches System“ zu etablieren. Statt dessen wurde der slowenische, kroatische und bosnische Separatismus/Nationalismus noch gefördert und die neuen Nachfolgestaaten anerkannt, die ihre Existenzberechtigung aus der von Duve so gegeißelten ethnisch/nationalen Staatsidee beziehen. Jetzt noch den Separatismus und Teilungspläne zu beklagen, ist zwar wohlfeil, aber anders ist ein Waffenstillstand derzeit nicht zu erreichen. Das ist zwar ein schlechter Friede, doch nichts hindert uns anschließend daran, gemeinsam die Grenzen mit friedlichen Mitteln zu überwinden, um ein ziviles übervölkisches Jugoslawien wiederherzustellen. Rosa Godewind, Berlin