„Ein Stück Deutschland vertreten“

Bei seinem ersten Besuch in Südafrika fühlt sich Bundeskanzler Helmut Kohl am wohlsten im Kreise seiner Landsleute und im Nimbus des „segensreichen“ deutschen Wirkens  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Im Kreise seiner „lieben Landsleute“ fühlt sich der Kanzler wohl. Mehrere hundert Mitglieder der deutschen Community in Südafrika und „südafrikanische Persönlichkeiten“ umringen Helmut Kohl in einem Saal des Johannesburger Luxushotels „Sandton Sun“. Kohl schätzt es, über Geschichte zu sprechen – deutsche Geschichte. Zum wiederholten Mal während seines ersten Besuchs in Südafrika hält er die gleiche Rede, deren emotionaler Gehalt sich allerdings steigert, je deutscher die Umgebung wird.

Da ist vom friedlichen Wandel in Südafrika die Rede, da wird Lob verteilt, da werden den Südafrikanern deutsche Grundwerte mit auf diesen Weg gegeben. „Die Mühe lohnt sich“, spricht der Kanzler. Wer wüßte das besser als wir Deutschen? Und dann, erst dann ist der Kanzler in seinem Element, kann er sprechen über die vielen Mühen der deutschen Nachkriegszeit und der deutschen Wiedervereinigung, von den dunklen deutschen Jahren und dem, was die Deutschen geschafft haben, von der deutschen Vorreiterrolle in Europa und davon, „daß das die uns gemäße Rolle ist“. Was das wohl alles mit Südafrika zu tun hat?

Deutlich ist Kohl anzumerken, daß er sich neben Mandela nicht wohl fühlt. Der südafrikanische Präsident beherrscht eine Kunst, die Kohl fehlt: spontan auf Menschen zuzugehen und mit ihnen zu sprechen. Notgedrungen muß Kohl mitlaufen, als Mandela ihn am Montag im Garten seines Kapstädter Amtssitzes zu den Schaulustigen am Zaun führt. Abends beim Bankett spielt eine Musikergruppe, und der südafrikanische Präsident fordert den deutschen Kanzler zum Tanz auf. Kohl lehnt ab.

Am zweiten Tag des offiziellen Programms ist der Kanzler wie ausgewechselt: In Johannesburg weiht er das stattliche neue Domizil der Deutsch-Südafrikanischen Handelskammer ein. Hier ist man unter sich, da gibt es Geschäftsleute, die seit Jahren „in schwierigen Zeiten“ hier „segensreich gewirkt“ haben. Das kann gar nicht oft genug gesagt werden: morgens im Garten der Handelskammer, mittags beim Empfang, abends beim Empfang, am nächsten Tag beim BMW-Werk in Pretoria, das Kohl ein „Flaggschiff“ nennt. Beim Abendempfang für die deutsche Gemeinschaft wird es beifällig goutiert, wenn sich Kohl dafür bedankt, „daß Sie hier ein Stück Deutschland vertreten“. Und die Männer klatschen artig, als der Kanzler „besonders die Frauen und Mütter“ begrüßt, „die hier unter ganz anderen Bedingungen als in Deutschland Kinder großziehen“.

Am Nachmittag steht das schwarze Südafrika auf dem Programm. Kohl fährt nach Soweto, in ein Zentrum für naturwissenschaftliche Ausbildung, das von Bonn finanziert wird. Es liegt gleich am Rand von Soweto, was den Vorteil hat, daß man nicht allzulang durch die Township fahren muß. Als Kohl auf dem Rasen des Zentrums eintrifft, gibt es niemanden, der ihn herumführt, keine vorher ausgewählten Ansprechpartner. So muß Kohl den deutschen Botschafter anraunzen. Dabei ist es doch schön, was da zu sehen ist: Auf dem Rasen bauen schwarze Arbeiter des „Builders' Training Centre“ in nagelneuen Overalls aus Ziegeln einen überdachten Grillplatz. Perfekt deutsch sprechende Absolventen des nach deutschem Modell aufgebauten Berufsbildungsprojekts CATS stehen für den Kanzler bereit. Weniger schön ist, daß die Bonner Mittel für CATS Ende dieses Jahres auslaufen sollen: Kohl verdonnert seinen Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Carl-Dieter Spranger, sich für das Projekt einzusetzen.

Die Berührung mit Afrika gipfelt in einer „kulturellen Darbietung“ mit einer Tanzgruppe. Doch zum Glück ist alles nach zwei Stunden vorbei, geht es zurück ins Sandton Sun, wo man derartigen Widrigkeiten nicht ausgesetzt ist. Da trinkt man dann abends „ein anständiges Glas pfälzischen Weins“ inmitten der lieben Landsleute und der geladenen „südafrikanischen Persönlichkeiten“. Kritik an Kohl wird hier hinter vorgehaltener Hand geübt. Ein ehemaliger hoher General fragt sich, was der Kanzler eigentlich zu Südafrika gesagt hat: „Nicht viel.“ Begeistert ist hingegen der nach eigenen Worten älteste Freund Kohls in Südafrika: Inkatha-Chef und Innenminister Mangosuthu Buthelezi. Er hatte ebenfalls eine Unterredung mit Kohl. Die Bedeutung des Kohl-Besuchs? Da kommt der Zulu-Führer ins Grübeln. „Sehen Sie, ich bin seit 40 Jahren mit Mandela befreundet und habe keinen Einfluß auf ihn. Wie sollte dann Herr Kohl welchen haben?“