Ministerpräsident Rau auf rot-grüner Linie

■ Regierungserklärung folgt strikt der Koalitionsvereinbarung mit den Grünen

Düsseldorf (taz) –Die nordrhein-westfälische Landesregierung will nach den Worten von Johannes Rau durch ihre Politik in den nächsten fünf Jahren dafür sorgen, daß NRW „zur Nummer eins in der Energieproduktivität, bei der Energiespartechnik und beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger Sonne, Wind und Wasser wird“. Diese Neuausrichtung der Energiepolitik, das wurde in der eineinhalbstündigen Regierungserklärung von Rau gestern deutlich, zählt zu den zentralen Anliegen des neuen Bündnisses in Düsseldorf.

Nach den Worten von Rau geht es jetzt darum, daß die „Investitionsblockaden“ gegenüber erneuerbaren Energien und produktiverer Energienutzung „endlich weggeräumt“ und die „Weichen in Richtung Solarwirtschaft“ gestellt werden. Schon die Reihenfolge seiner Ausführungen zur Energiepolitik – die Kohle kam am Schluß – offenbarte gestern, wer in der neuen Regierung mit im Boot sitzt. Die Grünen können sich jedenfalls nicht beklagen: Bei seinem ersten entscheidenden Auftritt als Chef der Koalitionsregierung hielt der Ministerpräsident sich millimetergenau an den beschlossenen Koalitionsvertrag. Statt der von ihm bei solchen Anlässen bekannten „roten Prosa“, gab es gestern auch schon die rot-grüne Variante. Etwa zum Thema Chemiestandort: Dort will die Regierung alle Ansätze der Industrie unterstützen, die auf „Kreislauforientierung und Nachhaltigkeit“ von Chemieprodukten abzielen.

Es gab aber auch konkretere Festlegungen. So wird die Landesregierung „auf Bundesebene gesetzgeberisch initiativ werden“ – gemeint ist eine Ausbildungsplatzabgabe –, wenn die Wirtschaft nicht von sich aus genügend Ausbildungssplätze zur Verfügung stellt. Zum Thema Ökoabgaben werden zwei Gutachten in Auftrag gegeben, um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen und die ökonomisch-ökologischen Wirkungszusammenhänge zu erhellen.

Bei dem umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler II hielt sich Rau merklich zurück. Daß beide Parteien hier unterschiedlicher Meinung seien, tangiere das Genehmigungsverfahren nicht, denn die Genehmigung des Braunkohleplans sei „rechtsgültig“ und „das Verfahren findet nach Recht und Gesetz statt“. Ob der Abbau aber tatsächlich kommt, ist damit noch längst nicht gesagt, weil die Entscheidung bei verringertem Energiebedarf oder neuen ökologischen Gefahren auch nach dem Genehmigungsbescheid rückholbar ist. Zu einer erheblichen Zeitverzögerung wird es wegen laufender Gerichtsverfahren in jedem Fall kommen. Wegen Garzweiler II erklärte CDU-Oppositionsführer Helmut Linssen die neue Regierung gestern „zum Standortrisiko Nr.1“. Die ganze Regierungserklärung sei nicht mehr als ein „Wattemeer von schönen Worten“.

Vor Raus Regierungserklärung waren die Mitglieder des rot-grünen Kabinetts vereidigt worden. Walter Jakobs