Airbus-Belegschaft im stummen Protest

■ 2.500 auf der Straße / Scherf versprach nichts – nur Schulterschluß mit Bonn und Deutscher Bank

„Wo ist der verdammte Tacker?“ Hektik im Betriebsratbüro der Daimler-Benz Aerospace-Tochter Airbus gestern morgen. Das Transparent braucht noch Schlaufen für die Haltestangen. Draußen nieselt es. Der Lautsprecherwagen bemüht sich, mit Musik ein bißchen Laune zu verbreiten. Doch die Stimmung ist gedämpft. Die 17jährige Minea Schumbera, Fluggerätebauerin im ersten Lehrjahr: „Es geht ja um den Arbeitsplatz, nicht jeder Azubi kann es sich leisten, nach Hamburg zu ziehen.“ In Hamburg nämlich sollen, so eine Forderung des Sparkonzepts „Dolores“, die Bremer Anteile an Flugzeugentwicklung und -konstruktion konzentriert werden.

Diesmal geht es nicht nur um eine Tariferhöhung oder um Arbeitszeit, diesmal geht es um's Ganze: Sollte der Plan der Dasa-Chefs umgesetzt werden, verlören in Bremen von den rund 2.950 Beschäftigten über 2.000 Menschen ihren Arbeitsplatz. FlugzeugbauerInnen haben bei der derzeitigen Marktlage wenig Alternativen.

Das treibt fast die gesamte Belegschaft auf die Straße zum bundesweiten „Aktionstag“ aller Dasa-Standorte. „Unsere Meister sind alle da“, erzählt Flugzeugbauer Uwe Metzscher. Mit dabei auch viele der rund 600 außertariflichen Angestellten, die über 7.000 Mark verdienen. Und drei Frauen aus der Personalabteilung – für sie ist es die erste Demonstration. Sie gehen eng nebeneinander. Und plaudern, wie all die anderen Bürogemeinschaften und Werkhallen-Crews. Plötzlich jedoch verstummen alle: Die Glocken der Zions-Gemeinde in der Kornstraße beginnen mächtig zu läuten. Als Unterstützung gedacht, doch plötzlich wirkt der Zug wie ein Trauermarsch.

An dieser Stimmung ändert auch die Solidarität der KollegInnen zum Beispiel von Gestra, Stahlwerke Bremen, Bremer Werkzeug-& Maschinenbau, Lloyd-Dynamo und Mercedes wenig. Gerhard Kupfer, Mercedes-Betriebsrat: „Die einzig richtige Antwort wäre, daß Mercedes die Arbeit niederlegt. Man muß den Konzern da treffen, wo er Gewinne einfährt.“

Radikal auch das Transparent des Mercedes-Betriebsrats: “Standort Deutschland über alles in der Welt? Mit uns nie wieder! Kollegen von Daimler.“ Von neuen Rüstungsaufträgen als Rettungsstrategie hält Kupfer nicht viel. Auch innerhalb des Bremer Airbus-Werks ist man sich da offenbar nicht so ganz einig. Der Betriebsrat schneidet die Rüstungsfrage derzeit lieber nicht an. Manche Airbus-MitarbieterInnen hoffen dringlich auf neue Militäraufträge. Helmut Dietzel, Abteilungsleiter im Bereich Wehrtechnik: „Die Bremer Regierung soll Druck machen auf die Bonner Politik, damit die sich endlich für den Eurofighter entscheiden.“ Oder den Nachfolger der Transall, den FLA (Future Large Aircraft) – ein gesticktes Modell trägt Dietzel auf der Krawatte.

Doch solche Versprechen macht Bürgermeister Henning Scherf in seiner Rede auf dem Marktplatz nicht. Nein, erstmal sei die DASA-Leitung selbst in der Pflicht, schießlich habe die Bundesregierung rund 10 Milliarden Mark in die Entwicklung des Airbus gesteckt, das weltweit einzige Konkurrenzmodell zur amerikanischen Boeing. Da habe man Bundeskanzler Kohl auch hinter sich – „Ich hab' ja lang gegen die Große Koalition geredet, aber jetzt kriegt sie eine strategische Bedeutung“.

Einen Schulterschluß gegen die Dasa-Chefs will Scherf nicht nur mit der Bundesregierung und den Länderchefs der norddeutschen Dasa-Standorte organisieren, sondern auch mit der Deutschen Bank. Die ist Hauptanteilseigner von Daimler-Benz und wird von den Betriebsräten heftig attackiert: Weil sie mit ihrer angeblichen Forderung nach 12 Prozent Kapitalrendite die ganze Kürzungsdebatte erst provoziert habe. Scherf meint, anderes gehört zu haben.

Dem Schulterschluß der Politik stellt Manfred Muster, Bezirksbevollmächtigter der IG Metall Küste, den Schulterschluß der Werktätigen an die Seite: „Die Unruhe über Dolores wird sich auf den ganzen Konzern ausbreiten“, beschwört er die Menschen gegen die Daimler-Benz-Kahlschlagstrategie, die auch Bremen treffen würde. Und wenn dann noch der Widerstand der ganzen Region dazukomme ... Sicher, die AG Weser habe man verloren, aber Klöckner gerettet. „Warum? Weil wir gekämpft haben.“ Spärlicher Beifall, keine gereckte Faust. Die Menschen sitzen still auf den Bänken, nur wenige holen sich ein Bier am Getränkestand. Wenigstens scheint jetzt die Sonne.

cis