Ewiges Fünkchen Hoffnung

■ Steht die Solar-Technologie erst am Anfang oder schon wieder vor dem Ende? / Eine Annäherung an die Situation in Hamburg Von Stefan Kreft

Nur mal angenommen: Die ganze Republik würde unter uns aufgeteilt. Ein stattlicher deutscher Wald, ein gutes Stück Autobahn und ein geräumiges Braunkohlerevier erfreuten dann den Blick eines/einer jeden besitzerstolzen Durchschnittsdeutschen. Ein gutes Auge aber bräuchte MüllerMeierSchmidt, um Besuchern die eigene Solar-Anlage vorführen zu können: Auf den knapp 5 000 Quadratmetern Grundstücksfläche besäße diese nur die Größe einer Briefmarke.

Und daran wird sich künftig wenig ändern: Die Kluft zwischen Ideenreichtum und Ergebnisarmut in Sachen Solarenergie wächst. Ein neuer Ansatz kommt jetzt von den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW): In ihrem „Hamburger Solar Konzept“ (taz berichtete) sei „viel Zukunftsmusik drin“, lobt HEW-Pressesprecher Johannes Altmeppen seinen Arbeitgeber.

„Ab sofort“ soll das Konzept die Hamburger als private Solarstrom-erzeuger gewinnen – finanziell unterstützt wird die Installation von jährlich 100 Anlagen. Das ist so nichts Neues, denn die Stadt Aachen zum Beispiel vergütet privaten Einspeisern den teuren Solarstrom schon seit einigen Monaten kostendeckend. „Innovativ“ sei die finanzielle Hilfe bei der Entwicklung und dem Einbau von Photovoltaik-Anlagen (PV) sowie die Schulung von Architekten, Handwerkern und Installateuren, verteidigt Altmeppen das „geschlossene mehrstufige Förderkonzept“ der Hansestadt.

Scharfe Kritik kommt vom GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Holger Matthews. Die von Seiten der HEW gebotene Stromeinspeisevergütung sei nicht „kostengerecht“, sondern bloß „kostenorientiert“. Es „werden wiederum nur diejenigen ökologischen Individualisten angesprochen, die es sich leisten können.“

Photovoltaik-Anlagen also nur auf den Hausdächern idealistischer Pfeffersäcke? Der HEW-Sprecher weist diesen Vorwurf von sich: „Gute Anlagen kommen kostendeckend und sogar mit einer geringen Verzinsung heraus. Wir wollen nicht wie in Aachen im Gießkannenprinzip Gelder verteilen. Schlechtere Anlagen werden auch weniger gefördert.“

Letztlich liegen die Dinge hier so wie auch sonst in der umweltfreundlichen Warenwelt: Ein Quantum Idealismus gehört dazu. Es stimmt aber wohl auch, daß die HEW-Offerte die regenerativen Energien ein Stück voran bringt. Ob die Hamburger in Zukunft nicht nur Joghurt im Glas kaufen, sondern auch in eine PV-Anlage auf dem Dach investieren werden, wird sich zeigen.

„Mit der Ausrufung der ,Solarhauptstadt Hamburg' hat Vahrenholt zum Teil sogar recht“, meint Hartmut Plötz von EUROSOLAR. Die Europäische Sonnenenergievereinigung macht in Brüssel, Bonn und regional Lobbyarbeit für die Nutzung regenerativer Energien. Präsident ist Hermann Scheer, Mitglied des Bundestages und Bundesvorständler der SPD. Plötz erzählt: „Scheer und ich haben damals Druck auf Kuhbier gemacht und gedroht, sämtliche Umweltverbände auf ihn zu hetzen. Wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl kam seine Zusage zum Kooperationsvertrag.“

In diesem Vertrag verpflichten sich HEW und Umweltbehörde zur Zusammenarbeit bei den alternativen Energien. So leuchtet auch ein, warum sich die HEWisten mit der für sie wenig lukrativen Photovoltaik beschäftigen (müssen): Mehrheitsaktionär ist nämlich die Hansestadt Hamburg.

Klar: Der Solarstrom muß viel billiger werden. Und: „Wer zuerst in die Massenproduktion geht, wird den Markt in der Hand haben“, drängte Hermann Scheer letzte Woche in Hamburg. Doch das Bild deutscher Aktivitäten ist gegenläufig. Anläßlich der Schließung der PV-Produktion bei der Angewandten Solar-Energie (ASE) in Wedel versuchte Scheer, die Verantwortlichen für die Zukunftsmisere ausfindig zu machen: „Die Chancen der Solarzellentechnologie werden seitens der Energiewirtschaft systematisch heruntergespielt, erbärmlich, lächerlich gemacht.“ Hinter den ASE-Eignern NUKEM und DASA stehen die Großkonzerne RWE bzw. Daimler-Benz. Tatsächlich erzielt zum Beispiel die NUKEM 60 Prozent ihres Umsatzes im Bereich nicht erneuerbarer Brennstoffe. Der Umsatzanteil der Solartechnik liegt unter einem Prozent. Kein Wunder also, wenn man befürchtet, das (Haupt-)Geschäft mit Atomkraft und fossilen Energien könnte in Mitleidenschaft gezogen werden. Winfried Hoffmann, Geschäftsführer der ASE, hält dagegen: „Es gibt kein Totschlagen durch die Gesellschafter.“ Eine „Pilotfertigung“ im bayerischen Alzenau soll erhalten bleiben.

Die EUROSOLAR-Schelte hat noch eine zweite Adresse: „Ein Markteinführungsprogramm der Bundesregierung ist überfällig.“ Bonn mache sich mit einem 1 000-Dächer-Programm lächerlich. Die anerkannt feinsinnigen Geldspürnasen in Tokio und Washington denken längerfristig. Daraus sind die bis nach Sri Lanka reichenden PV-Projektierungen der Vereinigten Staaten und das japanische 70 000-Dächer-Programm zu erklären. Ob in Bonn ein Daimler/RWE-Daumen lobbymäßig draufhält?

Zurück nach Hamburg. 100 Photovoltaik-Anlagen pro Jahr werden die Technologie nicht marktfähig machen, die Wedeler Produktion nicht vor dem Ende bewahren. HEW-Sprecher Altmeppen drückt auf die Tränendrüse: „Ich sehe in der Solarenergie eine Chance für die Zukunft. Aber sollen wir, die kleine HEW, die Photovoltaik retten?“

Wessen Job es ist, das ewige Fünkchen Hoffnung Solarenergie zu entfachen, darüber ist man sich, scheint's, noch nicht so recht einig.