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Böttcherstraße forever

■ „Bremen lang & breit“: Ein neues Magazin muß sich mit einem alten Merian-Band messen lassen – der Tradition, Kohl & Pinkel verpflichtet

30 Jahre sind es her, seitdem das letzte MERIAN-Heft über Bremen erschienen ist. Eine Neuauflage mit ähnlichem Konzept? Keine schlechte Idee, wird sich der Fischerhuder Verlag Atelier im Bauernhaus gedacht haben und legt jetzt „Bremen – lang und breit“ vor. Bremen-Literatur gibt es bereits mannigfach, wer soll sich da noch für ein weiteres Bremen-Magazin interessieren? Oder lassen sich etwa mit dem Magazin-Format neue Käuferschichten locken? Und mit welchen Bremen-Themen soll denn der Bremen-Interessierte der 90er-Jahre in die Buchhandlung gelockt werden? Im Grunde mit den gleichen wie 30 Jahre zuvor. Eingangs muß das 93jährige Bremer literarische Urgestein Heinrich Schmidt-Barrien „Ein nie verstummendes Loblied auf Bremen“ anstimmen. Dann geht es „Rund um den Roland“, die „Böttcherstraße“, um Paula Modersohn-Becker. Die Schnoor-Betrachtung ist „Viertel“-Impressionen gewichen, am Schluß steht ein fiktiver Brief Rainer Maria Rilkes an seine Clara Westhoff. Klassisch baedekerisch.

Als amuse-gueule im Bremen-Menü stehen ein paar prächtige ganzseitige Farbfotos mit Bremer Highlights. „Bremen ist nicht New York“, lernen wir, daß „Roland ein Ausländer“ war und Bremen die erste Stadt, die „Hausbesetzern ein Denkmal setzte“. Da kann MERIAN nur in Schwarz-weiß kontern: Schleppkähne dümpeln im Hafen, die Neue Vahr-Siedlung in ganzer Beton-Herrlichkeit, die Obernstraße mit richtig viel Verkehr – damit läßt sich kein Zeitschriften-Käufer mehr hinterm Hochglanz-Magazin hervorlocken.

Neu hingegen bei „Bremen – lang und breit“: Ein Text übers beliebte Regionalmagazin „Buten & Binnen“. Fotomäßig angereichert mit einer Nackten, die unter den Arkaden am Rathaus flaniert und einer B&B-Moderatorin im Badeanzug und beiden Beinen im Weserwasser, Mikro in dere Hand. Alles aus alten B&B-Beiträgen herauskopiert. Gar nicht baedekerisch. Ein direkter Vergleich zum Thema Kohl und Pinkel, eine Bremensie, die nicht fehlen darf: „Es ist nichts anderes als Grünkohl, der vom langen Kochen braun wird, mit viel, sehr viel Fett und Speck. Das Wichtigste dabei ist Pinkel, ein mit Fett und Grütze gefüllter Darm.“ (MERIAN) Eine wenig magenfreundliche Schilderung. Da ist das Foto-Stilleben mit den Pinkel-Zutaten in „Bremen – lang und breit“ schon appetitlicher.

Und auch der Beitrag über Bremens kulinarische Highlights fällt weniger prosaisch aus. Friedo Lampe, gerade mit relativem Brimborium wiederentdeckt, vermißt man übrigens im neuen Bremen-Band. Bei MERIAN hatte man die Nase früher im Wind: „Schicksal am Rande der Nacht“ ist ein Artikel über Lampe überschrieben.

Der Werbeanteil hat übrigens – wer hätte das gedacht – stark abgenommen: 19 Prozent noch bei MERIAN, nur 7,5 im Atelier-Verlag. Die Bremer Hoteliers haben das neue Heft jedenfalls mehr geordert als die Buchläden. Der Verlag drückt es so aus: „Das Magazin versteht sich als ein Beitrag zur Profilierung der traditionsreichen Hansestadt an der Weser.“

Alexander Musik

MERIAN-Bremen ist antiquarisch lieferbar: T. 07163/2247, 8 DM; „Bremen – lang und breit“, Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude, 14,80 DM

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