In Berlin: Ermittlungen trotz Wahlen

■ Berliner Staatsanwälte härter / Ermittlungsmethoden von von Bock immer unklarer

Die Berliner StaatsanwältInnen sind bei der Ermittlung gegen Abgeordnete offenbar weniger zögerlich als der Bremer Kollege Hans-Georg von Bock und Polach. Wegen seiner Ermittlungsmethoden im Fall des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Helmut Pflugrath, in dessen Haus ein Mann vergewaltigt worden sein soll, ist von Bock ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Auch in Berlin bekam ein Staatsanwalt eine Akte auf den Tisch, aus der hervorging, daß sich in dem Haus eines Abgeordneten eine Straftat ereignet haben soll. Am 22. Oktober wird in Berlin gewählt – doch das beeindruckt den Staatsanwalt nicht.

Er ermittelt weiter gegen Wolfgang Mieczkowski (FDP) wegen des Verdachts der Förderung sexueller Handlungen mit Minderjährigen. Ein Bekannter des Abgeordneten soll sich im Gästezimmer des Politikers an einem 14jährigen Stricher vergangen haben. Am Donnerstag hat der Rechtsausschuß dem Berliner Abgeordnetenhaus die Empfehlung gegeben, die Immunität des Politikers aufzuheben.

„Auch ein beschuldigter Abgeordneter unterliegt dem strikten Legalitätsprinzip. In einem Rechtsstaat ist es nicht zulässig, ein entscheidungsreifes strafrechtliches Ermittlungsverfahren nicht abzuschließen, sondern ruhen zu lassen, nur weil ein Wahltermin ansteht“, antwortete die Berliner Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) auf den Vorwurf, die Justiz betreibe „Wahlkampf pur“.

Diesen Vorwurf fürchtete allerdings von Bock. Obwohl das mutmaßliche Opfer präzise Angaben zum Tatort gemacht hatte, verzichtete er auf eine Durchsuchung. Begründung: Er wollte erst mit dem mutmaßlichen Opfer sprechen. Außerdem fürchtete von Bock „später als wildgewordener Staatsanwalt beschimpft zu werden, der versucht habe in die Wahl einzugreifen.“ (siehe taz 14.9)

André W., der behauptet, im Haus von Pflugradt sexuell genötigt worden zu sein, ist nicht minderjährig. Dennoch wirft der Vergleich beider Fälle ein interessantes Licht auf die Ermittlungsmethoden von Bocks. In Berlin und in Bremen nimmt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen jeweils Anfang des Jahres auf. Nach Angaben der Pressestelle des Berliner Justizressorts waren die Ermittlungen im April abgeschlossen und reif für den Antrag auf Aufhebung der Immunität. Der Verteidiger konnte den Antrag bis jetzt herauszögern.

Für Helmut Pflugradt steht die Aufhebung der Immunität zwar nicht zur Debatte: Er ist kein Beschuldigter. Warum von Bock und Polach allerdings nie versucht hat, Pflugradt wenigstens als Zeugen zu vernehmen, ist bis heute unklar. Auch als Abgeordneter hätte Plugradt als Zeuge aussagen können – sein Zeugnisverweigerungsrecht bezieht sich nur auf seine Tätigkeit als Abgeordneter. Ein Zeuge kann die Aussage nur verweigern, wenn er sich selbst oder Angehörige belasten würde.

„Der Oberstaatsanwalt wollte wohl erst das mutmaßliche Opfer vernehmen“, vermutet Justiz-Staatsrat Michael Göbel. Das wäre jedoch weder für einen Durchsuchungsbeschluß noch für die Zeugenvernehmung von Pflugradt notwendig gewesen. Auch die Art und Weise, wie von Bock versucht, das mutmaßliche Opfer zu erreichen, sorgt bei Staatsanwälten für Kopfschütteln. Anstatt den Mann schriftlich vorzuladen, telefoniert er ihm hinterher. kes