Sanddorn statt Sperrmüll

■ Grüne Höfe erfordern engagierte Mieter, wenn die Pflanzenpracht erhalten bleiben soll. "Kiezgrün" unterstützt Mieter bei Projekten und macht nun eine Ausstellung

„Wir sind für alle da“, sagt Manuela Steinfeld, die als Stadtökologin bei „Kiezgrün“ in der Naunynstraße arbeitet. Eigentlich gehört Kiezgrün zum Kotti e.V., dem Nachbarschaftsverein am Kottbusser Tor, und ist zuständig für das Sanierungsgebiet Kreuzberg SO 36, das sich zwischen Fraenkelufer und Bethaniendamm, Prinzen- und Manteuffelstraße erstreckt. Doch abgewiesen wird keiner, der Rat und Hilfe sucht, um seinen Hinterhof zu verschönern: „Alle werden beraten, alle können unsere Bibliothek benutzen, alle können unsere Gartengeräte ausleihen“, so Steinfeld weiter, „nur Pflanzen können wir nicht immer so einfach abgeben.“

Die Pflanzen werden weitgehend selbst vermehrt, der ganze Service ist kostenlos. Kiezgrün hilft auch, zögerliche Vermieter zu überzeugen, und betreut teilweise noch Jahre später die begrünten Höfe. Eine Sache wird allerdings vorausgesetzt: die Motivation und tatkräftige Mithilfe der Mieter. „Wenn die Mieter nicht dahinter stehen, nutzt die beste Begrünung nichts“, mußte Steinfeld immer wieder feststellen, „die Pflanzen werden bewußt oder unbewußt zerstört, der Hof versandet und wird nach und nach für die Zwischen- oder Endlagerung von Sperrmüll benutzt.“ Inzwischen wird Kiezgrün hauptsächlich bei „Zweitbegrünungen“ aktiv, dann, wenn die erste Pflanzengeneration bereits eingegangen ist. „Besonders die Kinder müssen wir miteinbeziehen“, weiß Steinfeld, „wenn sie beim Pflanzen mithelfen und ihnen alles erklärt wird, können sie Verantwortungsbewußtsein entwickeln.“ Die Pflanzen bleiben dann vom „Kaputtspielen“ verschont. Besonders beliebt sind aus lebenden Weidenruten geflochtene Zelte, die Platz zum Verstecken bieten.

Kiezgrün empfiehlt einheimische Pflanzen, die den klimatischen Bedingungen gut angepaßt und deshalb pflegeleicht sind. Besonders gut geeignet sind zum Beispiel folgende robuste Sträucher, die durch ihre eßbaren Früchte den Kindern bald ans Herz wachsen: Waldhaselnuß, der auch mit schattigeren Plätzen vorliebnimmt, dessen Zweige bei Zerstörung schnell wieder ausschlagen; Sanddorn, der sich mit seinen Dornen schützt und dessen orangefarbene Beeren viel Vitamin C enthalten, die Alpen-Johannisbeere, die verschiedenste Standortbedingungen toleriert und selten von Krankheiten befallen wird; schließlich Holunder, der wenig Licht braucht und so anspruchslos ist, daß er sogar auf Müll wachsen kann. Für den Haushaltsmüll können die Gärtner von Kiezgrün eine gute Lösung anbieten: geschlossene (also nicht riechende) Schnell-Komposter, die nur einen Quadratmeter Stellfläche benötigen. Würden sie flächendeckend eingesetzt, ließen sich die anfallenden Müllberge in Berlin um ein Drittel verringern. Das aktuelle Projekt von Kiezgrün sind „Spielplatzpatenschaften“. Gesucht werden Paten, die für ein kleines Entgeld die Spielplätze pflegen. Der Richtwert von sieben begrünten Quadratmetern pro Einwohner ist noch längst nicht erfüllt. Das Bezirksamt Kreuzberg möchte Kiezgrün auch in sparsamen Zeiten treu bleiben. Ursula Dohme

Kiezgrün veranstaltet bis zum 15. November eine Fotoausstellung auf der Freifläche Adalbertstraße 95/96, täglich von 10 Uhr bis Sonnenuntergang.