: Grün hinter den Ohren
Computer sollen einen Weg in die saubere Zukunft bahnen – tun sie aber nicht. Eine Untersuchung ergab: Vom „Green PC“ kann keine Rede sein ■ Von Ursula Dohme
Stromsparen ist längst nicht alles. Wenn der Computer bei längeren Arbeitspausen in eine Art Standby- Betrieb verfällt, das heißt Bildschirm und Prozessor runterfährt oder drosselt, ist das stromsparend und wird bereits als „Green PC“ angepriesen. Die Stromersparnis relativiert sich aber angesicht der energieaufwendigen Produktion. Die Herstellung eines Computers verbraucht in etwa soviel Strom wie ein Haushalt in neun Monaten. Der Vorteil der automatischen Drosselung könnte eher in der erhöhten Lebensdauer liegen: die Festplatte kann, da sie geschont wird, etwa acht Jahre durchhalten. Tatsächlich werden PCs nach drei bis vier Jahren ausgemustert, weil beispielsweise die neueste Software – die nicht unbedingt besser ist als die alte – auf ihnen nicht läuft. Sven Weiß vom PC-Notruf kommentiert: „Die Nachfolger haben die Macken der alten nicht mehr, dafür haben sie neue.“
Noch kürzer als die Betriebsdauer ist die Produktionslaufzeit. Nach sechs bis neun Monaten gebiert die Computerindustrie das Nachfolge-Modell. Ein Kritikpunkt des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in seiner „Umwelt-Computer-Liste 1995“ ist die ständig wechselnde Gehäusemode. Sinnvoll sei es, die Hardware im Gehäuseinneren bei Bedarf zu aktualisieren, nicht jedesmal einen komplett neuen Computer samt gestyltem Gehäuse zu kaufen. Dieses „Wagen und Garage“-Prinzip funktionierte, so der BUND, wenn internationale Normen für den Gehäusebau eingeführt würden. Doch Kompatibilität wird bislang von den Herstellern nicht gewährleistet.
Durch die verwendeten Flammschutzmittel schneiden die Gehäuse ebenso wie die Platinen in der Bewertung schlecht ab. Unrühmlicher Spitzenreiter ist IBM, die als einzige Hersteller noch PVC für die Gehäuse verwenden und das Vorhandensein von Alternativ-Materialien nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Nur zwei Hersteller, Apple und Vobis, erlauben die kostenlose Rückgabe der gesamten Alt-Geräte. Drucker wurden in der BUND-Studie, die zusammen mit Öko-Test durchgeführt wurde und sich so auch im neuesten Öko-Test-Heft nachlesen läßt, nicht untersucht. Andreas Grote von der Computer-zeitschrift c't hat sich der verschiedenen Refill-Systeme für das Nachfüllen von Tintenpatronen und Tonerkartuschen angenommen. Fazit: Wer ein reines Öko-Gewissen haben möchte, muß sich die Finger beim Nachfüllen der Tinte schmutzig machen, das spart zudem noch Geld, und die Druckqualität muß auch nicht darunter leiden. Es gibt auch Refill-Stationen, die kommerziell ihre Dienste anbieten. Die Kostenersparnis liegt dabei nach fünf Refills bereits bei der Hälfte des Neupreises einer Farbpatrone, und auch Nadeldrucker können hier professionell ein neues Farbband erhalten. Den Grund für die mangelnde Beliebtheit der Refill- Systeme sieht Grote nicht in der Handhabung, die inzwischen sehr verbraucherfreundlich geworden ist, sondern im mangelnden Interesse der Drucker-Hersteller. Der Austausch des gesamten Druckkopfes ist ein einträgliches Geschäft, der Verkauf von Tinte dagegen nicht. Grote rechnet vor: „Ein Farbtintendrucker kostet in der Anschaffung 890 Mark, die ersten 40 Druckköpfe schlagen mit 2.600 Mark zu Buche.“
Als Voraussetzung für effizientes Recycling stehen auf der Wunschliste des BUND Elektronik-Bauteile, die aus wenigen Materialien bestehen und weder gelötet noch verschraubt sind, sondern zusammengesteckt werden. Zwei Schritte in die richtige Richtung: die Inbetriebnahme einer großen Aufbereitungsanlage in Goslar durch Siemens und Telekom unter anderem; die Entwicklung der ersten Datenbank für Elektroschrott in Berlin und Brandenburg durch AEG, Siemens, Berliner Stadtreinigung und andere Partner. In Goslar sollten 20.000 Tonnen der jährlich anfallenden rund 1,5 Millionen Tonnen Elektroschrott recycelt werden. Die berlin-brandenburgische Datenbank soll auch eine Wertstoff-Börse für den Computer-Schrott ermöglichen.
Der BUND resümmiert in seiner Untersuchung jedoch, daß „der Wettlauf zwischen Software und Hardware Dimensionen erreicht hat, die für normale Ansprüche keinen merkbaren Effekt zeigen. Das ist, wie mit dem Ferrari jeden morgen im Stau zum Job zu fahren – hier reicht ein Kleinwagen.“ Ökologisch gesehen stecken die Computer, die erst vor 14 Jahren ihren Siegeszug als Personal- Computer antraten, noch in den Kinderschuhen. Die „grünen“ PC's sind eigentlich nur hinter den Ohren richtig grün.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen