„Paddy muß auf die Titelseite“

■ Ein Besuch bei der Kreuzberger Kinderzeitung „Kids Blitz“. Ihr Motto lautet „Frech kommt weiter“. Schreiben und Zeichnen macht hier viel mehr Spaß als in der Schule

Berlin ist „zum Kotzen, weil's so viele Autos gibt“. Jacques Chirac ist „blöd, weil der so'n Atompilzliebling ist“. Und was heißt SPD? „Scharping pinkelt daneben.“

Paula, Jara und Nadine, drei Redakteurinnen der Kreuzberger Kinderzeitung Kids Blitz, sind um keine Antwort verlegen. Die elfjährigen Zeitungsmacherinnen sind sich einig, daß auch für Kinder das Motto gilt „Frech kommt weiter“. Zum Thema Atombombentests und SPD herrscht auch Einigkeit (Blöd). Zum Thema Berlin nicht. „Ich finde Berlin eigentlich ganz okay, nur nachts ein bißchen unheimlich“, gibt Jara zu Protokoll. Nadine mag an Berlin: „Die Parks und Karstadt.“

Kids Blitz gibt es seit drei Monaten. Der Verein Wasserturm e.V. ist der Herausgeber. Jaras Vater hatte die Idee einer Kinderzeitung für Kreuzberg. Jara war begeistert und warb im Freundeskreis für das Projekt. Per Annonce wurde ein professioneller Journalist gesucht, der das Projekt betreuen sollte. So kam Ulf Mailänder zu seiner neuen Aufgabe, eine Zeitung mit Kindern zu gestalten: „Für mich war die Mischung aus Journalismus und Pädagogik eine spannende Sache.“

Jara, Paula und Nadine machen bei der Zeitung mit, weil sie gern zeichnen und schreiben. Und beides macht hier „viel mehr Spaß als in der Schule“, findet Paula und sagt auch warum: „Hier ist man nicht gezwungen, etwas zu machen. Hier kann man was machen, wenn man will.“ Über die Zusammenarbeit mit den männlichen Kollegen urteilt Paula barsch: „Die Jungs sind Trantüten. Die können nur verkaufen.“ Dennoch finden die drei Redaktionssitzungen mit Jungen besser als ohne. Jara: „Wenn die dabei sind, kann man sich zwischendurch auch mal kloppen.“

Heute stehen Thema und Titelblatt der neuen und dritten Ausgabe zur Diskussion. Was das Titelbild angeht, muß noch gestritten werden. Jara und Paula, zwei bekennende Fans der irischen Gruppe „Kelly Family“, finden, daß Paddy aufs Titelblatt muß: „Paddy und am besten auch Mark. Dann kauft schon mal jedes Mädchen die Zeitung.“ Ein Argument, das Nadine nun gar nicht überzeugen kann. Denn ihr Herz schlägt für die vier Jungs von „Take That“.

Über das Thema der neuen Ausgabe ist man sich schnell einig: Liebe. „Warum Liebe?“ will Ulf als einziges erwachsenes Redaktionsmitglied von seinen Kolleginnen wissen. „Das ist doch aktuell“, begegnet Paula jeglichen Zweifeln, „überall liebt jemand jemanden. Liebe ist überall.“ „Love is everywhere“, übersetzt Nadine prompt in die Sprache ihrer Stars und singt die unvermeidlichen Melodie, was sogar die Kelly-Fans zum Mitschmettern animiert.

Ulf will aber konkreter werden und bittet die Kolleginnen zum Brainstorming über das Titelthema. „Ich hab' ein Buch über Liebe“, fällt Jara ein. „Küssen, Menschen...“, umreißt die junge Redakteurin ihren „Gehirnsturm“. „Ficken und Schlafen“, fügt Paula hinzu. „Miteinanderschlafen“, ergänzt Nadine, was Paula wiederum zur Gegenfrage reizt: „Machst du das schon in deinem Alter?“

Was würden die drei Redakteurinnen machen, wenn sie Politikerinnen wären? „Ich würde lauter Abenteuerspielplätze bauen und ein Euro-Disneyland“, weiß Jara. „Ich würde Solarautos vorschreiben“, gibt Nadine sich umweltbewußt, während Paula eine verkehrspolitische Radikalkur vorschwebt: „Ich würde alle Autos verbieten. Wir könnten doch auf Pferden reiten.“ „Die Hochhäuser würde ich noch verbieten“, ist Nadines Einfall für die Baupolitik. Arne Meyer

Kontakt über: Wasserturm e.V., Kopischstr. 7, 10961 Berlin, Tel./ 2Fax: 2588-3117 oder 69 49 593.