Frauen an die Macht

■ Bericht aus dem Paradies: „Wenn die Regierungen merken, was sie akzeptiert haben, werden sie sich die Haare raufen“

In Peking Norweger zu sein ist angenehm. Ein großer Saal voller Parlamentarierinnen, Journalistinnen und Frauenrechtlerinnen aus allen Teilen der Welt blickte wohlwollend zum einzigen Herrn auf dem Podium. Asbjorn Mathisen, norwegischer Staatssekretär aus dem Außenministerium, hatte gerade erklärt, daß die Liberalität und Großzügigkeit seines Landes in puncto Entwicklungshilfe auf den hohen Anteil von Frauen in der Regierung zurückzuführen ist: „Wir haben eine Premierministerin und sieben Frauen im 18köpfigen Kabinett. Deshalb ist unsere Politik so gut.“

Mathisens Kombination von skandinavischer Freundlichkeit und Selbstverständlichkeit mit einem Hauch Tüddeligkeit war unschlagbar: „Wie haben Sie das nur geschafft?“ fragte eine afrikanische Delegierte, die wie alle anderen in diesen Pekinger Tagen fast ununterbrochen von Schrecklichkeiten gehört hat: von zunehmender Gewalt gegen Frauen, Unterdrückung, Diskriminierung, Rechtlosigkeit, Analphabetismus, Verarmung. Da hörte sich der Bericht aus Norwegen, der mit einem bescheidenen „natürlich-gibt-es-auch-bei-uns-noch-viele-Probleme“ vorgetragen wurde, wie eine Nachricht aus dem Paradies an. „Das ist nicht über Nacht gegangen“, hub Mathisen an. Seine Ministerin, Grete Berget, rief daraufhin aus dem Publikum: „Ohne Quoten hätten wir das niemals erreicht!“ Höchstens sechzig Prozent der Arbeitsplätze in allen öffentlichen Ämtern dürfen in Norwegen von Männern (oder Frauen) besetzt sein. Unter zustimmendem Gemurmel aus dem Saal wiederholte Berget: „Die Quote ist notwendig!“ Gleichzeitig aber müsse durch gezielte Politik verhindert werden, daß Frauen sich zwischen Kinderkriegen und Erwerbstätigkeit entscheiden müssen.

Ihre schwedische Politikerkollegin Laila Edholm stimmt dieser Ansicht zu. Und berichtete von anderen Erfolgen: Als der Anteil der Frauen im schwedischen Parlament Anfang der neunziger Jahre zurückging, gab es einen Ruck in der gesamten Gesellschaft: „Die Frauen aus allen Parteien haben gedroht, eine eigene, gemeinsame Liste aufzustellen. Da haben die Parteien schnell dafür gesorgt, daß sie wieder Frauen nominierten.“ Wichtig ist in Edholms Augen auch, daß Gleichberechtigung sozusagen salonfähig ist. Wenn der Regierungschef und gesellschaftlich angesehene Männer immer wieder öffentlich davon sprechen, daß Hausarbeit Männer- wie Frauensache sei und Erziehungsurlaub für Väter selbstverständlich, dann verändert sich das gesellschaftliche Klima. Dann trauen sich auch unsichere Männer.

Bei den Verhandlungen über die Aktionsplattform in Peking stand auch das Thema „Frauen in Entscheidungs- und Machtfunktionen“ zur Debatte, verschwand aber hinter dem Streit über Menschenrechte und selbstbestimmte Sexualität. Die Formulierungen bleiben zurückhaltend. Sie fordern Regierungen und internationale Organisationen auf, auf eine ausgeglichenere Beteiligung von Frauen und Männern in der Politik und im öffentlichen Sektor hinzuwirken. „Frauen und Macht“, sagt die amerikanische Aktivistin Patti Goldstein, „das ist das heimliche Thema dieser Konferenz. Wenn die Regierungen erst einmal merken, was sie da akzeptiert haben, dann werden sie sich noch die Haare raufen.“