Sanssouci
: Vorschlag

■ Krude Mixtur aus Ölfarbe, Kohle, Latex, Teer und Asche – aber sehenswert: Marek Schovanek u.a. in der Galerie le Manège

Der Weg in den dritten Stock des Hinterhauses, wo Jean- Claude Pennes noch bis zum Ende des Jahres die Galerie le Manège betreibt – dann wird die neue Eigentümerin das Gebäude sanieren –, führt durch ein Treppenhaus, das, könnte es sprechen, sagen würde: „Ich bin ein Gesamtkunstwerk!“ An den Wänden wurde mit der Sprühdose Stenografie geübt, an einigen Stellen durchkreuzen zerbrechliche Figuren nach Nägeli-Art das wirre Muster halbierter Schriftzeichen. Selbst die Stufen sind bunt bemalt, eine Kette chinesischer Lampions hängt von der Decke und beleuchtet Stoffbahnen, Reste vergangener Installationen und Sperrmüll.

Dennoch lohnt sich der Weg in die lichtdurchfluteten Ausstellungsräume im dritten Stock, deren Möblierung an ein Jugendzentrum aus den späten siebziger Jahren erinnert. Auch wenn drei psychedelisch anmutende, in Pastelltönen gehaltene Großformate einer italienischen Malerin namens Andrea sowenig überzeugen wie die „Fuck Chirac“-Collage des notorischen Wändebeklebers und Keith-Haring-Imitators „Sp 38“ aus dem Kunsthaus Tacheles – zumindest sechs der acht Arbeiten des dreißigjährigen Exiltschechen und Exilkanadiers Marek Schovanek sind so sehenswert, daß sie den Rest der „Open doors (Atomicart)“-Show unfreiwillig in die Tasche stecken.

Vier expressive Porträts, die zu einer dreizehnteiligen Flaggen-Serie gehören, an der der Künstler seit drei Jahren arbeitet, verstärken ihre Wirkung durch ein auf dem Kopf stehendes Raster zufällig angeordneter Buchstaben, das die Köpfe scheinbar verdeckt. Die allesamt mit einer kruden Mixtur aus Ölfarbe, Kohle, Latex, Teer, Lack und Asche hergestellten Werke künden jedoch nicht nur in ihren dunklen Motiven und ihrer gebrochenen Farbgebung – die sogar den normalerweise kitschig-dekorativen Goldton verdüstert – von Verfall und Auflösung, auch sie selbst zeigen schon erhebliche Risse, abgeplatzte Stellen und Spuren von Feuer.

Nur ein schnell hingeworfenes Van-Gogh-Remake mit fehlendem Ohr und ein in einer geteerten Wandnische plazierter Schinken voller Köpfe, Kreuze und Schlamm unterschreiten das Niveau der übrigen Arbeiten Schovaneks, die auch ohne aufgemalte Atompilze apokalyptisch genug wirken und voraussichtlich im Mai nächsten Jahres in einer großen Einzelausstellung in Prag zu sehen sein werden. Gunnar Lützow

„Open doors (Atomicart)“. Zu sehen bis zum 23.9. Montag bis Freitag, 15–20 Uhr, Galerie le Manège (Hinterhaus), Oranienburger Straße 4, Mitte