Der Kaffee, der dem Stau entkommt

Kaffeebohnen sind schlauer als Verkehrsminister: Weil Jacobs die Droge von Bremen nach Berlin mit der Bahn transportiert, fahren 7.200 Lastwagen weniger auf der Autobahn und in der Stadt  ■ Von Lars Klaaßen

Die zunehmende Verkehrsdichte auf den Autobahnen und in den Städten stellt den Öko-Sünder Auto auch ökonomisch in Frage: Güter, die im Stau stehen, sind zu teuer. Das Unternehmen „Kraft Jacobs Suchard“ hat daraus Konsequenzen gezogen. Sämtliche in Bremen angelandeten Rohkaffees werden seit zwei Jahren nur noch über die Schiene in das Berliner Röstwerk transportiert.

„Zuvor geschah das zu etwa 60 Prozent per LKW und zu 40 Prozent im kombinierten Verkehr, also auf Schiene und Straße“, berichtet Stefan Preussler, Pressesprecher des Lebensmittelkonzerns. Der „Jacobs Café Logistik Zug“ bringt jeweils rund tausend Tonnen Rohkaffee in der Nacht direkt auf das Werksgelände in Neukölln. Drei- bis viermal die Woche, bei Bedarf auch täglich, fährt der 500 Meter lange Zug jeweils fünfzig Spezialcontainer nonstop am Stau vorbei.

Das Logistikkonzept wurde von Jacobs entwickelt und in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG (DB AG), der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG), dem Logistikunternehmen Weser International Commodities (WIC) und der Industriebahn-Gesellschaft Berlin (IGB) umgesetzt.

Ökologisch kann sich das Gemeinschaftsprojekt sehen lassen: „Auf der Strecke Bremen–Berlin ersetzt der Logistikzug rund 4.300 LKWs pro Jahr. Berücksichtigt man auch die in den Innenstädten eingesetzten Fahrzeuge, sind es insgesamt sogar 7.200 LKWs weniger“, so Preussler. Durch das Umsteigen auf die Bahn sei der Energieverbrauch um über 60 Prozent gesunken. Die Emission des Treibhausgases Kohlendioxid habe sich um zwei Drittel reduziert. „Das Schöne an diesem Projekt ist“, freut sich Gerd Berssenbrügge, als Generalmanager von „Kraft Jacobs Suchard“ für das Kaffeegeschäft verantwortlich, „daß es nicht nur die erheblichen ökologischen und gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Bahn gegenüber dem Straßengüterverkehr nutzt, sondern sich auch betriebswirtschaftlich rechnet.“

Kein Wunder also, daß dieses Projekt mittlerweile Nachahmer gefunden hat. Michael Adam, Sprecher für den Bereich Güterverkehr der Bahn, fallen auf Anhieb mehrere solcher „logistischer Volleistungen“ ein: „Für Kulmbacher Reichelbräu zum Beispiel fahren wir ganze Bierzüge.“ Auch Teile des Airbus seien zwischen den Produktionsstätten hin und her transportiert worden. Diese Kooperation der Bahn mit Großkunden ist immer individuell zugeschnitten. Der Kaffee aus Bremen zum Beispiel wird in Spezialcontainern transportiert. Die Bohnen sollen durch allzu rohe Behandlung nicht schon im Zug halb zermahlen werden. Auch die Lagertemperatur muß stimmen. Schließlich will Jacobs sich darauf verlassen können, daß der Kaffee auch wirklich pünktlich in die Rösterei rollt.

„Die Nachfrage der Firmen steigt“, betont Adam. Von den 70,6 Milliarden Tonnen pro Kilometer, die die Bahn im Jahr transportiert, entfallen 37 Prozent auf sogenannte Ganzzüge. Das heißt: Diese Züge werden nicht im kombinierten Verkehr mit LKWs eingesetzt. Das sind vor allem Kohlezüge. Doch bis jetzt hält sich der Anteil der Bahn am gesamten Güteraufkommen noch in bescheidenen Grenzen: Nach Angaben des Instituts für deutsche Wirtschaft werden nicht einmal ein Fünftel der Transportleistung mit der Bahn erbracht. Der LKW-Verkehr hingegen hält bei einem Anteil von knapp zwei Dritteln eine satte Spitzenposition.

Dabei könne die Bahn, so Adam, ihr Transportaufkommen aus dem Stand um ein Drittel erhöhen. Zudem sollen technische Neuerungen die Lieferzeiten verkürzen: „Bald werden wir automatische Kupplungen und Versorgungsleitungen an den Zügen installieren“, berichtet der Sprecher. Durch die eingesparte Zeit beim Zusammenstellen der Züge könne das Transportaufkommen sogar um die Hälfte erhöht werden, prophezeit er.

Der Transport via Schiene ist dem LKW zwar ökologisch und ökonomisch überlegen. Doch Umweltschutz in reinster Form ist noch immer die Reduzierung des Transportaufkommens: Warum steht zum Beispiel in Berlin eine Kaffee-Rösterei, wenn der Kaffee mit dem Schiff in Bremen ankommt?