Ich verlange, daß Diepgen Plakate abhängt

■ SPD-Fraktionschef Böger wirft der CDU einen unfairen und frevelhaften Wahlkampf vor

taz: Herr Böger, einerseits bemüht sich Diepgen, im Wahlkampf staatsmännisch aufzutreten, andererseits betreibt die CDU auf Plakaten Polemik: Jede Stimme für die SPD sei eine für die PDS. Lassen Sie sich das bieten?

Klaus Böger, Vorsitzender der SPD-Fraktion: Die CDU macht Wahlkampf mit Täuschmanövern und Rüpeleien. Diepgen will die Berliner in der Illusion wiegen, er werde alles richten mit Hilfe des großen Bruders in Bonn. Die Wahrheit ist, daß Diepgen nicht einmal Termine beim Bundesfinanzminister bekommt. Beim Olympiastadion sowie bei der S-Bahn konnte sich Diepgen nicht durchsetzen, und auch in der Kultur läuft finanziell überhaupt nichts. Und Diepgens Partei rüpelt, indem sie versucht, die SPD mit der PDS zu identifizieren, weil die CDU mit ihrem Schreckgespenst von Rot-Grün den Wählern nun einmal keine Angst mehr einjagen kann. Ich verlange von Diepgen, daß das Plakat „Jede Stimme für die SPD ist eine Stimme für die PDS“ unverzüglich verschwindet.

CDU-Parlamentarier wie Liepelt machen mit Parolen wie der von der multikriminellen Gesellschaft Stimmung gegen Ausländer. Hat das Konsequenzen?

Die CDU will die „Republikaner“ wohl dadurch erledigen, daß sie selbst deren Rolle übernimmt. Das ist frevelhaft. Man kann sich nicht fünf Jahre in der Rolle des Staatsmannes üben und vor den Wahlen nach rechts ausbrechen. Das hat Folgen für eine spätere Zusammenarbeit.

Sie kennen Diepgen. Warum stoppt er seine Partei nicht?

Er läßt seine Partei dieses Doppelspiel absichtlich betreiben. Auf der einen Seite präsentiert er ein Buch mit „Einheit“ und „Zukunft Hauptstadt“, auf der anderen Seite wird deutschgetümelt und werden Aggressionen gegen Ausländer geschürt. Ein weiteres Beispiel für dieses Doppelspiel: Wenn Diepgen in Bundeslanden überhaupt akzeptiert wird, dann wegen seiner Leistung beim Staatsvertrag mit Brandenburg. Ausgerechnet die Vereinigung mit Brandenburg wird aber von seiner eigenen Truppe mit Primitivargumenten wie „Im Roten Meer versinken“ und so einem Stuß massiv bekämpft. Die Berliner und die Bundes-CDU betreiben auch ein Doppelspiel. Hier wirbt die CDU mit „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, in Bonn läuft das längst unter dem Titel „Niedrigere Löhne für alle“, damit angeblich der Standort Deutschland gesichert wird. Jetzt haben die in Bonn Kreide gefressen, nach dem 22. Oktober kommen aber die Sauereien: Karenztage bei Lohnfortzahlungen, Arbeitslosengeld nach Marktwert und die Kürzung des Vorruhestandsgeldes.

Die finanzielle Zukunft Berlins sieht düster aus. Kommt nach den Wahlen ein Nachtragshaushalt?

Ich will mich nicht auf Größenordnungen festlegen. Ein Nachtragshaushalt in dieser Höhe wäre aber gesamtwirtschaftlich betrachtet kontraproduktiv. Es wird nach den Wahlen zu tiefen strukturellen Einschnitten kommen. Ich mache dabei nur ein Versprechen: Das Kriterium der SPD wird beim Sparen die soziale Verträglichkeit sein. Darüber hinaus wird es keine Tabus geben.

Ginge das mit einem Finanzsenator Pieroth?

Neben Heckelmann, Haase und Luther gehört Pieroth zum Quartett der Erfolglosen. Er hat weder in Bonn irgend etwas Nennenswertes herausgeholt, noch das mentale Klima fürs Sparen vorbereitet. Mit Pieroth wird man Haushaltspolitik nicht mehr machen können. Interview: Nowakowski/Wildt