Press-Schlag
: In innerer Emigration

■ Schwaben ohne VfB? Warum nicht?

Wer das Nies nun genau ist und was es sonst so macht, tut nichts zur Sache. Tatsache aber ist, daß es am Samstag Bundesliga kuckte. Und wie so die Tore fielen, für Borussia Dortmund und gegen den VfB Stuttgart, da hat es zunächst noch leise geseufzt, geseufzt, geseufzt, geseufzt. Beim fünften Treffer aber richtete es sich auf der Couch auf, atmete tief durch und sprach: „Eigentlich freue ich mich ja für die Borussia.“ Jenes schwäbische Nies, um das mal klar zu machen, wurde mit den drei Buchstaben „V“, „f“, „B“ auf dieser Erde willkommen geheißen. VfB war das erste Wort, das es sprechen konnte. Die Welt ward ihm erklärt und geordnet in das Gute (VfB), das Böse (Bayern), das Gleichgültige (Rest der Liga). Später wurden seine Liebsten vom Vater auf Vereinszugehörigkeit getestet und in der Familie willkommen geheißen – oder verflucht.

Nun denkt dieses Wesen an Abschied – und andere tun es auch. Das hat wenig mit dem samstäglichen 3:6 in Dortmund zu tun, dem 1:4 gegen Leverkusen zuvor, auch nichts mit der Pokalniederlage in Sandhausen. Eigentlich ist es auch kein aktiver Abschied, vielmehr das (noch latente) Eingeständnis, daß der Geliebte sich selbst längst davongemacht hat. Der VfB heißt VfB, aber ist er es noch? Nachdem jahrelang eifrig daran gewerkelt wurde, ihm jeglichen Stallgeruch, jegliche Identifikationsfläche zu nehmen? Auf Hoeneß' selig Weg zum modernen Dienstleistungsunternehmen ist der Klub zwar nicht moderner geworden, dafür zu einem Unternehmen, das keine Dienste leistet. Und keine Heimat mehr bietet.

Rolf Fringer (38) scheint eine klitzekleine Hoffnung: Der Austro-Schweizer paßt nach Stuttgart wie einst Gress, Ettmayer, Benthaus. Doch was kann er tun? Andere haben 12 Millionen „investiert“, aber wenig Gedanken. „Ich bin die Ausreden einfach satt“, sagt übrigens Gerhard Mayer-Vorfelder. Der Präsident hört dafür auf weitgereiste Spieler wie Thomas Berthold („Man darf die Schuld nicht nur bei der Abwehr suchen“). Und er sagt: „Der Trainer muß machen, was er für richtig hält. Dafür ist er Trainer.“ Als ob alles eine Frage der Viererkette sei.

Den Präsidenten zum Teufel zu jagen, daran denkt keiner. Erstens ist er da schon, zweitens war den VfBlern nie kämpferisch zumute. Wehe aber, wenn nicht einmal mehr richtig gebruddelt wird. Dann wird auch nicht mehr geliebt! Wen denn, huhuhu? Fredi Bobic! Doch was, wenn das „Aushängeschild“ (Fringer) demnächst anderswo aushängt? Können Schwaben leben ohne den VfB? Ohne diesen VfB: problemlos ja. In den Gedanken, den Träumen, der Phantasie jenes Nies jedenfalls wird das lebenslange Hauptmotiv immer blasser, immer leiser: Die innere Emigration hat längst begonnen. pu