■ Die Sudanesen sind von Polizisten abgeschoben worden
: Dem Grundgesetz verpflichtet – und nicht dem Innenminister

Manfred Kanther ist als Bundesinnenminister laut einer BKA-Analyse einer der gefährdetsten Menschen dieser Republik. Deshalb wird er rund um die Uhr mit einem immensen Menschen- und Materialaufwand geschützt. Menschen, die mindestens ebenso gefährdet sind, weil sie aus einem Folterregime kommen, gesteht der Hardliner nicht einmal minimalsten Schutz in Form eines Aufenthaltsrechtes zu.

Die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht haben entschieden, daß die sieben Sudanesen abgeschoben werden konnten. Für Kanther ein Muß. Wo kämen wir sonst hin, hat er in den letzten Tagen immer wieder betont, wenn Deutschland „beliebig offen für den Zustrom von Ausländern“ sei. Mit derartigen Ansichten trifft Kanther auf Verständnis – auch bei PolizistInnen. „Es muß sich endlich mal rumsprechen, daß es nicht so einfach ist hierherzukommen. Wir haben keinen Platz für 50 Millionen Sudanesen“, kommentierte ein Polizist die Abschiebung. Selbst der Hinweis auf die Folter im Sudan führt zu keiner humanitären Geste.

Amnesty international berichtet, daß im Sudan zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung öffentlich ausgepeitscht wird. Menschen verschwinden aufgrund von Notstandsgesetzen ohne Gerichtsverhandlungen in Gefängnissen. Gefoltert wird durch Schläge mit Elektrokabeln, Wasserschläuchen und Holzknüppeln. Gefangene müssen die Nächte im Stehen verbringen und werden durch besondere Folterinstrumente in sogenannten Geisterhäusern gequält. Menschen werden hingerichtet. Und selbst Kinder wurden gefoltert. Alles unter einem Regime, das keinerlei Opposition zuläßt. Auf die Zusage solcher Machthaber, die abgeschobenen Sudanesen keiner staatlichen Verfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung auszusetzen, verläßt sich Kanther. In anderen Bereichen würde er seine Wortgeber als Gangster bezeichnen, deren Rechte massiv einzuschränken sind.

Christliche Fundamentalisten, vornehmlich aus den Unionsparteien, bestehen darauf, daß unter dem Kreuz gelernt wird. Doch wo christliche Werte einer fragwürdigen Rechtsprechung untergeordnet werden, haben Symbole keine Chance. Die Rechtsprechung wurde im Falle der sieben Sudanesen dem Gewissen übergeordnet. Und alle Beteiligten haben daraufhin funktioniert. Letztendlich sorgten 15 PolizistInnen für die Abschiebung in eine gefährliche Zukunft. Im Sudan werden die Flüchtlinge aus den Augen, aus dem Sinn geraten. Die Verantwortung wurde wie so oft auf viele Schultern verlagert, so daß sich niemand verantwortlich fühlen braucht, selbst wenn das Schicksal der sieben doch noch bekanntwerden sollte.

Die PolizistInnen wird ebenso wenig ein schlechtes Gewissen plagen, weil schließlich alles rechtsstaatlich zuging. So leicht ist aber niemand aus einer Verantwortung zu entlassen. PolizistInnen sind in erster Linie dem Grundgesetz verpflichtet und nicht dem Innenminister. Darauf haben sie einen Eid abgelegt. Sie haben ihre Maßnahmen zu prüfen. Wenn ein Polizist an Abschiebungen beteiligt ist, hat er die Pflicht sich über die Herkunftsländer zu unterrichten, will er nicht willfähriges Rädchen der staatlichen Maschinerie werden. Die Verweigerung von Abschiebungen aus Gewissensgründen ist für PolizistInnen im Dienst letztes und adäquates Mittel, um sich für die Wahrung der Menschenrechte einzusetzen. Jürgen Korell

Arbeitet bei der „Redaktion Unbequem“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritische PolizistInnen.