Falsches Geld für falschen Käufer

■ Ex-Europaabgeordneter der SPD steht wegen versuchter Hehlerei von zehn Millionen falschen Schweizer Franken vor Gericht

Nürnberg (taz) – Der SPD bleibt aber auch nichts erspart. Die Troika ist geplatzt, Scharpings peinlicher Auftritt im Bundestag, der wirtschaftspolitische Fraktionssprecher ist in den Rücktritt geflüchtet, der außenpolitischer Sprecher weg – und jetzt auch noch Schlagzeilen über „Lust am Glückspiel“, „abenteuerliche Finanzjongleure“, „angekettete Nackedeis“ oder „Eskapaden eines Europaabgeordneten“.

Schuld daran ist der ehemalige SPD-Europaparlamentarier Dieter Schinzel. Wenn sich der 52jährige Aachener morgen zusammen mit drei Mitangeklagten vor dem Aschaffenburger Landgericht wegen versuchter Hehlerei verantworten muß, geht es immerhin um zehn Millionen falsche Schweizer Franken. Kein Pappenstiel also, sollte man meinen.

Am 27. Mai letzten Jahres, als der Slogan „Die Mafia zerschlagen“ bundesweit die SPD-Europawahlplakate zierte, endete die steile Karriere des Aachener Politprofis abrupt. Im Aschaffenburger Restaurant „Zur Post“ wurde der Mann, der einst mit Jassir Arafat kungelte, zusammen mit Willy Brandt deutsche Geiseln aus dem Irak befreite und als Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft glänzte, mit sechs weiteren Gästen von einem Sondereinsatzkommando überwältigt.

Beschlagnahmt wurde Falschgeld, auf das wahrscheinlich nie jemand hereingefallen wäre, denn die Scheine trugen weithin sichtbar einen Werbeaufdruck eines Restaurants. Zur Tarnung waren die Blüten mit echten 1.000-Franken- Scheinen abgedeckt und in Folie eingeschweißt worden. Schließlich sollten sie als echtes Geld aus einem Überfall deklariert werden, das zu einem Preis von rund zehn Prozent unter dem Umtauschkurs „reingewaschen“ werden sollte, so die Staatsanwaltschaft.

Doch aus dem dilettantisch anmutenden Deal wurde nichts, denn der Aufkäufer entpuppte sich als verdeckter Ermittler des Landeskriminalamtes. Schinzel und seine Kumpane landeten im Knast. Erst nach vier Wochen kam der SPD- Nahost-Experte gegen eine Kaution von 50.000 Mark wieder auf freien Fuß.

Zuvor hatte noch sein Bruder Antonio, besser bekannt als „Christian Anders“, für Furore gesorgt. Der ehemalige Schlagerstar („Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ und „Geh nicht vorbei“), der sich mit einem Rolls-Royce, mit edlen Nerzen und mit nicht minder teuren Frauen hoffnungslos übernommen hatte und dann als Guru nach Kalifornien abgetaucht war, hatte sich unbekleidet an das Tor der Justizvollzugsanstalt Aschaffenburg angekettet. So etwas hatte die unterfränkische Stadt noch nicht gesehen. „Laßt meinen Bruder frei, er ist unschuldig“, forderte der Nackedei.

Schinzels Anwälte waren entsetzt, hatten jedoch Anders nicht bremsen können. Die Verteidiger sind davon überzeugt, in dem Verfahren gute Karten zu besitzen. Die Anklagebehörde will nämlich ermittelt haben, daß der in Millionenhöhe verschuldete Schinzel nicht nur für eine satte Provision von etwa einer Million Mark den Deal makeln wollte, sondern auch daß er davon ausgegangen war, daß das Geld aus einem Überfall stamme. Schinzel selbst behauptet, er sei von einem „ordnungsgemäßen Devisengeschäft“ ausgegangen. Tatsache ist jedenfalls, daß es Geld aus einem Überfall nie gegeben hat.

So bleibt, wenn überhaupt, unter dem Strich nur ein „untauglicher Versuch der Hehlerei“ übrig – und der sei, so die Anwälte, „das juristisch umstrittene Relikt eines ansonsten im Rechtsstaat überwundenen reinen Gesinnungsstrafrechts“. Schließlich ziele dieser auf die kaum nachweisbaren Vorstellungen des Beschuldigten ab. Für die Anwälte ist der Fall klar: „Schinzel ist unschuldig und kämpft um seine Rehabilitierung.“ So einfach ist das jedoch nicht. Vier an dem grotesken Deal beteiligte Männer sind bereits zu Bewährungsstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt worden. Bernd Siegler